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Der Graf von Castelfino

Der Graf von Castelfino

Titel: Der Graf von Castelfino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: CHRISTINA HOLLIS
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Gesellschaft freuen. Sie brauchen mich beide. Wie hättest du dich gefühlt, wenn du deinen Vater nicht im Krankenhaus besucht hättest. Denk einmal darüber nach.“
    Ihre Ausrede griff. Das sah Meg ihm an.
    Er trat einen Schritt zurück. „Ja, natürlich.“
    Der Herbst hielt in der zweiten Novemberwoche Einzug. Gianni stand mit dem Rücken zum Schreibtisch, die Hände in die Hüften gestemmt, und schaute zum Himmel hoch. Über die fernen Hügel seines Anwesens zogen Regenwolken hinweg.
    Jahrhundertelang hatten seine Vorfahren hier auf Angriffe von Norden her gewartet. Gianni, Conte di Castelfino, hatte sich noch nie vor etwas gefürchtet. Nun aber lähmte ihn der Gedanke an den bevorstehenden Winter. Doch der frostige Wind, der dann von den Alpen herunterwehen würde, war nicht die einzige Bedrohung, die sein Herz in eisigen Griff nahm.
    Wieder warf er einen Blick auf das Stück Papier auf seinem Schreibtisch. Megs klare, geschwungene Schrift verlief quer über die Seite. Ihre Kündigung. Beim wiederholten Lesen musste er lächeln. Statt einer steifen Verabschiedung bedankte sie sich für die Hilfe und die Unterstützung, die sie erlebt hatte, und für die wundervolle Erfahrung, auf Castelfino gearbeitet haben zu dürfen.
    Gianni griff nach dem Telefon. Dann überlegte er es sich anders und ließ sich in seinen Bürosessel fallen. Er versank in tiefes Grübeln.
    Megs Einfluss war überall zu spüren. In jedem Raum des Hauses konnte er ihren Blumenschmuck bewundern, und er vermisste ihre Wärme in der Nacht.
    Etliche Male war er zum Kräutergarten gegangen, um unauffällig nach ihr zu suchen. Er gab vor, sichergehen zu wollen, dass sie Pläne für die Übergabe an ihren Nachfolger vorbereitet hätte. Dabei hatte er die Stelle nicht einmal ausgeschrieben. Meg war zu einzigartig. Sie würde unerreicht bleiben. Ihre Treibhäuser, ihre Blumenrabatten waren eine Hinterlassenschaft, die ihn für immer an sie erinnern würde.
    Wenn er sie einmal antraf, was selten passierte, war sie stets in Gesellschaft ihrer Mitarbeiter. Niemals kam er näher als eine Armeslänge an sie heran. Dann präsentierte sie ihm emotionslos lange Aufstellungen, Datensammlungen und Updates am Computer. Er schaffte es nicht, die Mauern einzureißen, die sie um sich herum errichtet hatte, um ihn auszusperren.
    Draußen vor seinem Fenster trug der Wind eine Wolke weißer Tauben vorbei. Sie flogen über die sanft gewellten Hügel, die der Herbst golden gefärbt hatte. Gianni hatte keinen Blick dafür. Eigentlich sollte er am Telefon sitzen und mit der gewohnten Leidenschaft die Räder seines Geschäfts in Bewegung halten. Stattdessen brütete er Stunden über einem Brief, der in wenigen Minuten verfasst worden war, und der innerhalb von Sekunden im Schredder verschwinden könnte. Doch etwas hinderte ihn daran, Megs Brief wegzuwerfen.
    So durfte es nicht enden. Ein paar höfliche Floskeln auf weißem Papier. Tief in sich verspürte er den Wunsch, die Wunde zu heilen, die Meg seinem Stolz zugefügt hatte. Es war wohl doch am besten, endlich einen Schlussstrich zu ziehen. In vierundzwanzig Stunden würde er den Atlantik im Flugzeug überqueren, und die Affäre mit Meg würde der Vergangenheit angehören.
    Gianni stand auf. Wie ein Tiger im Käfig ging er in seinem Arbeitszimmer auf und ab. Selbst die wertvollen Skulpturen, die er so liebte, konnten ihn nicht erfreuen. Er dachte nur an die Leere, die Meg hinterlassen würde, wenn sie endgültig ging.
    Seine Gegensprechanlage erwachte zum Leben. Er schaltete sie ab. Erschöpft legte er beide Hände flach auf den Tisch. Meg hinterließ mit ihrem Verhalten fast den gleichen Scherbenhaufen wie damals seine Mutter. Doch Meg war intelligent. Wieso konnte sie nicht begreifen, dass er ihr die Welt zu Füßen legen würde? Eine sichere Stelle auf seinem Gut, gepaart mit seiner Gunst – was war das im Vergleich zu einem kärglichen Arbeitsleben in irgendeiner Gärtnerei? Einer überholten Vorstellung von Tradition zuliebe warf sie alles weg, nur weil …
    Wieder stand er auf. Er war verärgert. Bisher war sein Leben immer glatt gelaufen. Doch dann hatte Meg seinen Stolz zerschmettert und die Trümmer in den Staub getreten. Sie hatte ihm, Gianni, nicht einmal die Gelegenheit gelassen, sich zu rechtfertigen. Jedes Mal, wenn er sie endlich mal antraf, passte es gerade aus irgendwelchen obskuren Gründen nicht. Jedes Mal musste er sich mit der Zusicherung zufriedengeben, sie habe alles unter Kontrolle. Offenbar

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