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Der Graf von Monte Christo 1

Der Graf von Monte Christo 1

Titel: Der Graf von Monte Christo 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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über mit Gold gestickte Jacke aus schwarzem Tuch, dunkelro-te Pluderhosen, goldgestickte Gamaschen und gelbe Pantoff el; ein prächtiger Kaschmirschal war um die Hüfte geschlungen, und ein kleiner, spitzer, krummer Dolch steckte in diesem Gürtel.
    Trotz einer fast fahlen Blässe hatte der Mann ein auff allend schö-
    nes Gesicht; seine Augen waren lebhaft und scharf; die mit der Stirn fast eine gerade Linie bildende Nase zeigte den griechischen Typus in seiner ganzen Reinheit, und unter einem schwarzen Schnurrbart glänzten seine Zähne weiß wie Perlen.
    Nur war diese Blässe seltsam; man hätte glauben können, einen Mann vor sich zu haben, der lange in einem Grab eingeschlossen gewesen sei und die Farbe des Lebens nicht wieder habe annehmen können. Ohne groß zu sein, war er übrigens gut gewachsen und hatte, wie die Männer des Südens, kleine Hände und kleine Füße.
    Was aber Franz, der die Erzählung des Patrons für Phantasterei gehalten hatte, am meisten in Erstaunen setzte, war die Pracht der Einrichtung. Das ganze Gemach war mit scharlachroten türkischen Stoff en behangen, die mit Goldblumen durchwirkt waren. In einer Nische war eine Art Diwan, über dem eine Trophäe aus arabischen Waff en mit vergoldeten Scheiden und mit edelsteinfun-kelnden Griff en angebracht war, von der Decke hing eine Lampe aus venezianischem Glas von erlesener Form und Farbe, und die Füße standen auf einem türkischen Teppich, in dem sie bis an die Knöchel versanken; Teppiche hingen vor der Tür, durch die Franz eingetreten war, und vor einer andern, die in ein zweites Gemach führte, das prächtig erleuchtet zu sein schien.
    Der Wirt überließ Franz einen Augenblick ganz seiner Verwunderung, musterte ihn aber gleichfalls und ließ ihn nicht aus den Augen.
    »Mein Herr«, sagte er endlich, »ich bitte tausendmal um Verzeihung wegen der Vorsichtsmaßregeln, denen man Sie unterworfen hat; aber da diese Insel meistens unbesucht ist, so fände ich jedenfalls, wenn das Geheimnis dieser Wohnung bekannt wäre, bei meiner Rückkehr mein Absteigequartier in ziemlich üblem Zustand, was mir sehr unangenehm wäre, nicht wegen des Verlustes, den es mir verursachen würde, sondern weil ich nicht die Sicherheit hätte, mich, wann ich will, von der übrigen Welt zu trennen. Jetzt werde ich mich bemühen, Sie diese kleine Unannehmlichkeit vergessen zu machen, indem ich Ihnen anbiete, was sie gewiß nicht hier zu fi nden hoff ten, das heißt ein leidliches Abendessen und ein anständiges Bett.«
    »Oh, mein verehrter Wirt«, antwortete Franz, »deshalb brauchen Sie sich nicht zu entschuldigen; man verbindet ja den Leuten, die verzauberte Schlösser betreten, stets die Augen, und ich habe mich wahrhaftig nicht zu beklagen, denn was Sie mir zeigen, ist eine Fortsetzung von ›Tausendundeiner Nacht‹.«
    »Ach, ich sage Ihnen wie Lucullus: Wenn ich gewußt hätte, daß ich die Ehre Ihres Besuches haben würde, hätte ich mich darauf vorbereitet. Aber so wie meine Einsiedelei ist, stelle ich sie Ihnen zur Verfügung; so wie mein Abendbrot ist, biete ich es Ihnen an. Ali, ist für uns aufgetragen?«
    Fast in demselben Augenblick hob sich der Türvorhang, und ein nubischer Neger, schwarz wie Ebenholz und mit einer einfachen weißen Tunika bekleidet, gab seinem Herrn ein Zeichen, daß er in das Speisezimmer eintreten könne.
    »Jetzt«, sagte der Unbekannte zu Franz, »weiß ich nicht, ob Sie meiner Meinung sind, aber ich fi nde nichts so unbehaglich, als einige Stunden zusammen zu sein, ohne zu wissen, mit welchem Namen oder Titel man sich nennen soll. Verstehen Sie mich recht, ich achte die Gesetze der Gastfreundschaft zu sehr, um Sie nach Ihrem Namen oder Titel zu fragen; ich bitte nur, mir irgendeine Bezeichnung anzu-geben, mit der ich Sie anreden kann. Was mich anbetriff t, so pfl egt man mich Sindbad den Seefahrer zu nennen.«
    »Und was mich anbetriff t«, entgegnete Franz, »so fehlt mir nur die berühmte Wunderlampe, um dem Aladin aus ›Tausendundeiner Nacht‹ zu gleichen; ich sehe deshalb für den Augenblick keinen Grund, weshalb Sie mich nicht Aladin nennen sollten. So kommen wir nicht aus dem Orient heraus, in den ich, wie ich zu glauben versucht bin, durch die Kraft irgendeines Geistes versetzt bin.«
    »Nun wohl, Herr Aladin«, sprach der seltsame Gastgeber, »wollen Sie sich in das Speisezimmer bemühen; Ihr ergebenster Diener wird Ihnen den Weg zeigen.«
    Bei diesen Worten hob Sindbad den Türvorhang und ging Franz voraus.

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