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Der Graf von Monte Christo 1

Der Graf von Monte Christo 1

Titel: Der Graf von Monte Christo 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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schimmerten im Strahl der Morgensonne; am Ufer saßen plaudernd und lachend die Matrosen, zehn Schritt davon schaukelte anmutig die am Anker liegende Barke. Er überließ sich dem göttlichen Zauber, der in der Natur liegt, besonders wenn man aus einem phantastischen Traum erwacht; allmählich ließ ihn das ruhige, reine, erhabene Leben draußen seinen Traum unwahrscheinlich erscheinen, und die Erinnerung begann in sein Gedächtnis zurückzukehren.
    Er erinnerte sich seiner Ankunft auf der Insel, seiner Vorstellung bei einem Führer von Schmugglern, eines unterirdischen Palastes voll Glanz und Pracht, eines vortreffl ichen Abendessens und eines Löff els voll Haschisch. Nur erschien es ihm angesichts des hellen Tages, als ob seitdem wenigstens ein Jahr vergangen sei. Hin und wieder sah seine Phantasie einen der Schatten, deren Blicke und Küsse ihn in der Nacht erregt hatten, unter den Matrosen sitzen, über die Felsen schreiten oder sich auf der Barke wiegen. Sonst aber war sein Kopf vollständig frei, sein Körper vollständig ausgeruht, ja, er empfand ein gewisses Wohlbehagen, und er genoß Luft und Sonne mehr als je.
    Fröhlich ging er zu den Matrosen, die sich erhoben, sobald sie seiner ansichtig wurden. Der Patron trat auf ihn zu.
    »Herr Sindbad hat uns beauftragt«, sagte er, »Exzellenz seine Grüße zu überbringen und sein Bedauern auszudrücken, daß er sich nicht von Ihnen hat verabschieden können; aber er hoff t, daß Sie ihn entschuldigen werden, da ihn ein dringendes Geschäft nach Malaga gerufen hat.«
    »Ei was, mein lieber Gaetano«, erwiderte Franz, »dies alles ist also wahr und wahrhaftig Wirklichkeit: Es existiert ein Mann, der mich auf dieser Insel empfangen, mir königliche Gastfreundschaft erwiesen hat und während meines Schlafs abgereist ist?«
    »Er existiert so gewiß, daß Sie dort seine kleine Jacht mit allen Segeln sich entfernen sehen können, und durch Ihr Fernrohr werden Sie wahrscheinlich Ihren Wirt inmitten seiner Mannschaft erkennen.«
    Dabei zeigte Gaetano nach einem kleinen Schiff , das nach der Südspitze Korsikas segelte.
    Franz richtete sein Fernrohr nach dem bezeichneten Punkt. Der Patron täuschte sich nicht; auf dem Hinterdeck des Schiff es stand der geheimnisvolle Fremde, das Gesicht ihm zugewandt, und hielt gleich ihm ein Fernrohr in der Hand; er trug dasselbe Kostüm, in dem er seinem Gast am gestrigen Abend erschienen war, und winkte zum Zeichen des Abschieds mit dem Taschentuch.
    Franz erwiderte diesen Gruß in gleicher Weise.
    »Was befehlen Exzellenz?« fragte der Patron.
    »Zuerst, daß Sie mir eine Fackel anzünden.«
    »Ah, ja, ich verstehe«, erwiderte der Schiff er, »um den Eingang in die verzauberten Gemächer zu suchen. Viel Vergnügen, Exzellenz, wenn Ihnen die Sache Spaß macht; Sie sollen die verlangte Fackel haben. Aber auch ich hatte diesen Gedanken und habe mir drei-oder viermal das Vergnügen gemacht, schließlich aber darauf verzichtet. Giovanni«, fügte er hinzu, »zünde eine Fackel an und bringe sie Seiner Exzellenz!«
    Giovanni gehorchte; Franz nahm die Fackel und trat, von Gaetano gefolgt, in die Höhle. Er erkannte die Stelle, an der er erwacht war; aber soviel er auch an den Wänden der Höhle umherleuchtete, sah er doch nichts als höchstens Rauchspuren, die darauf hindeuteten, daß andere schon vor ihm dieselbe vergebliche Nachforschung gehalten hatten.
    Jedoch ließ er nicht einen Fußbreit an dieser Granitwand unun-tersucht: In jeden Riß steckte er die Klinge seines Jagdmessers, auf jeden vorspringenden Punkt drückte er, in der Hoff nung, daß er nachgäbe; aber alles war vergeblich, und Franz verlor zwei Stunden mit dieser Untersuchung. Dann gab er es auf.
    Als er ans Ufer zurückkehrte, erschien die Jacht nur noch wie ein kleiner weißer Punkt am Horizont, und selbst mit dem Fernrohr war es unmöglich, etwas zu unterscheiden. Der Patron erinnerte ihn daran, daß er hergekommen sei, um Ziegen zu jagen, was er vollständig vergessen hatte. Er nahm sein Gewehr und begann die Insel zu durchstreifen wie jemand, der mehr eine Pfl icht erfüllt als einem Vergnügen nachgeht, und nach einer Viertelstunde hatte er eine Ziege und zwei Lämmer erlegt. Aber diese Ziegen hatten, wenn sie auch wild und fl ink wie Gemsen waren, doch zu große Ähnlichkeit mit den Hausziegen, und Franz sah sie nicht für Wild an.
    Ganz andere Gedanken beschäftigten seinen Geist. Seit gestern war er wahrhaftig der Held eines Märchens aus »Tausendundeiner

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