Der Graf von Monte Christo 1
Tasche und bot sie ihnen an.
Vampa richtete stolz den Kopf auf; aber Teresas Augen glänzten, als sie an den Schmuck und die schönen Kleider dachte, die sie sich mit dem Geld kaufen könnte.
Cucumetto war ein sehr kluger Teufel; er hatte die Gestalt eines Banditen statt derjenigen einer Schlange angenommen; er bemerkte diesen Blick und erkannte in Teresa eine würdige Tochter Evas.
Er ging in den Wald zurück, wobei er sich mehrmals umdrehte, anscheinend um seinen Rettern zuzuwinken.
Mehrere Tage verfl ossen, ohne daß man Cucumetto wiedersah oder von ihm sprechen hörte.
Die Zeit des Karnevals nahte. Der Graf von San Felice kündigte einen großen Maskenball an, zu dem die vornehmste Gesellschaft Roms eingeladen wurde.
Teresa hatte große Lust, sich den Ball anzusehen. Luigi bat seinen Beschützer, den Verwalter, für sie und sich um die Erlaubnis, unter der Dienerschaft des Hauses versteckt dem Ball beiwohnen zu dürfen. Die Erlaubnis wurde ihm gewährt.
Diesen Ball gab der Graf hauptsächlich für seine angebetete Tochter Carmela.
Carmela war genau in dem Alter und von der Größe Teresas, und Teresa war wenigstens ebenso schön wie Carmela.
Am Abend des Balles zog Teresa ihr schönstes Kleid an und schmückte sich mit ihren kostbarsten Nadeln und glänzendsten Glasperlen. Sie trug das Kostüm der Frauen von Frascati.
Luigi trug den malerischen Anzug, den der römische Bauer an Festtagen anlegt.
Beide mischten sich, wie man ihnen erlaubt hatte, unter die Dienerschaft und die Bauern.
Das Fest war prachtvoll. Das Schloß war glänzend erleuchtet, und Tausende von farbigen Laternen hingen an den Bäumen des Gartens.
Bald verließ die Gesellschaft das Haus und betrat die Terrassen und von da auch die Alleen.
An jedem Kreuzweg befanden sich ein Orchester und Tische mit Erfrischungen; die Spaziergänger machten halt, es bildeten sich Quadrillen, und man tanzte, wo es einem gerade gefi el.
Carmela trug das Kostüm der Frauen von Sonino. Eine ihrer Gefährtinnen war wie die Frauen aus Nettuno, die andere als Frau aus Riccia gekleidet. Vier junge Leute aus den reichsten und vornehmsten Familien Roms begleiteten sie mit jener italienischen Freiheit, die ihresgleichen in keinem andern Land der Welt hat; sie trugen die Kostüme von Albano, Velletri, Civita Castellana und Sora.
Es versteht sich von selbst, daß diese Kostüme, sowohl die der Herren wie die der Damen, von Gold und Edelsteinen funkelten.
Carmela kam auf den Gedanken, eine Quadrille zu tanzen, nur fehlte dazu noch eine Tänzerin.
Carmela sah sich um: Keine der eingeladenen Damen trug ein passendes Kostüm.
Der Graf von San Felice zeigte ihr Teresa, die mitten unter den Landmädchen auf Luigis Arm gestützt dastand.
»Erlaubst du, Papa?« fragte Carmela.
»Gewiß«, antwortete der Graf, »wir sind ja im Karneval!«
Carmela neigte sich zu einem jungen Mann, der sie begleitete, und sagte ihm einige Worte, wobei sie mit dem Finger auf das junge Mädchen zeigte.
Der junge Mann ging auf Teresa zu, um sie aufzufordern, an der Quadrille Carmelas teilzunehmen.
Teresa fühlte es wie eine Flamme über ihr Gesicht gehen. Sie befragte Luigi mit dem Blick: Es war unmöglich, der Auff orderung nicht zu folgen.
Luigi ließ langsam den Arm Teresas aus dem seinen, und Teresa entfernte sich, von ihrem eleganten Kavalier geführt, um, am ganzen Leibe zitternd, ihren Platz in der aristokratischen Quadrille einzunehmen.
Luigi fühlte ein unbekanntes Gefühl in sich aufsteigen: Es war wie ein dumpfer Schmerz, der ihm zuerst am Herzen fraß und von da durch seine Adern fl oß und sich seines ganzen Körpers bemächtigte.
Er folgte mit den Augen den geringsten Bewegungen Teresas und ihres Kavaliers; wenn ihre Hände sich berührten, so fühlte er, wie ein Schwindel ihn überkam, seine Adern klopften heftig, und es war, als ob ihm eine Glocke in den Ohren läutete.
Wenn sie zusammen sprachen, wobei Teresa schüchtern und mit gesenkten Augen zuhörte, schien es Luigi, der in den feurigen Augen des schönen jungen Mannes las, daß er ihr Schmeicheleien sagte, ihm war, als ob die Erde sich unter ihm drehte und alle Stimmen der Hölle ihm Mordgedanken zuraunten.
Da er fürchtete, sich von seinem Wahnsinn hinreißen zu lassen, umklammerte er mit der einen Hand die Hagebuche, an der er stand, und drückte mit der andern den Dolch mit dem geschnitzten Griff , der in seinem Gürtel steckte und den er, ohne es zu bemerken, zuweilen fast ganz aus der Scheide
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