Der Graf von Monte Christo 1
zog.
Luigi war eifersüchtig! Er fühlte, daß Teresa, gefallsüchtig und eitel wie sie war, sich von ihm abwenden könnte.
Ihr schöner Kavalier führte sie mit vielen Komplimenten wieder an den Platz zurück, woher er sie geholt hatte und wo Luigi auf sie wartete.
Zwei- oder dreimal hatte das junge Mädchen während des Tanzes einen Blick auf ihn geworfen, und jedesmal hatte sie ihn bleich und fi nster gesehen. Einmal hatte sogar die Klinge seines halb aus der Scheide gezogenen Messers ihre Augen wie ein unheimlicher Blitz geblendet. Fast zitternd nahm sie wieder den Arm ihres Liebhabers.
Die Quadrille hatte den größten Erfolg gehabt, und es war augenscheinlich, daß die Rede davon war, sie zu wiederholen; Carmela allein widersetzte sich dem; aber der Graf von San Felice bat seine Tochter so zärtlich, daß sie schließlich einwilligte.
Sofort trat einer der Kavaliere hervor, um Teresa aufzufordern, ohne die der Tanz unmöglich war; aber das junge Mädchen war bereits verschwunden.
In der Tat hatte Luigi sich außerstande gefühlt, noch einmal dasselbe durchzumachen, und halb mit Überredung, halb mit Gewalt hatte er Teresa nach einem andern Ort des Gartens gezogen.
Nachdem die Kälte der Nacht die Eingeladenen aus den Gärten vertrieben hatte und sie im Innern des Schlosses, wo das Fest weiterging, verschwunden waren, führte er Teresa fort. Als sie ihr Haus betreten wollte, fragte er: »Teresa, woran dachtest du, als du der jungen Gräfi n von San Felice gegenüber tanztest?« fragte Luigi.
»Ich dachte«, antwortete das junge Mädchen, »daß ich mein halbes Leben dafür hingeben würde, wenn ich so ein Kostüm, wie sie anhatte, haben könnte.«
»Und was sagte dein Tänzer zu dir?«
»Er sagte, daß es nur an mir läge, es zu bekommen, und daß ich nur ein Wort zu sagen brauchte.«
»Er hatte recht. Wünschest du es so sehr, wie du sagst?«
»Ja.«
»Gut, du sollst es haben!«
In der selben Nacht geschah, ohne Zweifel durch die Unvorsich-tigkeit eines Bedienten, der vergessen hatte, die Lichter auszulöschen, ein großes Unglück; die Villa San Felice geriet gerade in demjenigen Teil in Brand, wo sich die Gemächer der schönen Carmela befanden.
Als Carmela mitten in der Nacht durch den Schein der Flammen erwachte, sprang sie aus dem Bett, warf ihren Schlafrock über und versuchte durch die Tür zu entfl iehen; aber der Korridor, den sie passieren mußte, war schon eine Beute der Flammen.
Darauf rannte sie in ihr Zimmer zurück und rief laut um Hilfe, als plötzlich ihr Fenster, das zwanzig Fuß über dem Boden lag, sich öff nete; ein junger Bauer schwang sich in ihr Zimmer, nahm sie in die Arme und trug sie mit übermenschlicher Kraft und Gewandtheit ins Freie, wo sie ohnmächtig wurde.
Als sie wieder zu sich kam, stand ihr Vater vor ihr. Die ganze Dienerschaft umgab sie, um ihr Hilfe zu bringen. Ein ganzer Flügel der Villa war niedergebrannt; aber was lag daran, da Carmela wohl und munter war.
Man suchte überall ihren Retter, aber ihr Retter erschien nicht wieder; man fragte überall, aber niemand hatte ihn gesehen. Und Carmela selbst hatte solche Angst gehabt, daß sie ihn nicht erkannt hatte.
Am folgenden Tag um die gewohnte Stunde fanden sich die beiden jungen Leute wieder am Waldrand ein.
Luigi war zuerst angekommen. Er ging dem jungen Mädchen mit großer Fröhlichkeit entgegen und schien die Szene vom Abend vorher vollständig vergessen zu haben.
Teresa war sichtlich nachdenklich; als sie aber Luigi so gut gelaunt sah, nahm sie auch ihrerseits eine fröhliche Miene an.
Luigi nahm Teresas Arm in den seinen und führte sie bis zu dem Eingang der Grotte. Dort machte er halt.
»Teresa«, sagte Luigi, »hast du nicht gestern abend gesagt, daß du alles in der Welt dafür geben würdest, um ein Kostüm wie die Tochter des Grafen zu haben?«
»Ja«, antwortete Teresa mit Erstaunen, »aber ich war albern, einen solchen Wunsch zu äußern.«
»Und ich habe dir geantwortet: Gut, du sollst es haben.«
»Ja«, entgegnete das junge Mädchen, dessen Erstaunen mit jedem Worte Luigis wuchs; »aber du hast das jedenfalls gesagt, um mir Vergnügen zu machen.«
»Ich habe dir niemals etwas versprochen, was ich dir nicht auch gegeben hätte. Teresa«, sagte Luigi stolz, »geh in die Höhle und kleide dich an.«
Bei diesen Worten zog er den Stein fort und zeigte Teresa das Innere der Grotte. Zwei Kerzen brannten zu beiden Seiten eines prächtigen Spiegels; auf dem Tisch, den Luigi selbst
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