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Der Graf von Monte Christo 1

Der Graf von Monte Christo 1

Titel: Der Graf von Monte Christo 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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nie gesehen haben? Übrigens, sehen Sie, ist das nötig; ohne das hätte unser Handwerk keine Entschuldigung. Ich selbst fühle mich, wenn ich im Auge des Angeklagten den Haß leuchten sehe, ermutigt, meine Kräfte wachsen; es ist nicht mehr ein Prozeß, sondern ein Kampf; ich kämpfe gegen ihn, er wehrt sich gegen mich, ich verdoppele meine Ausfälle, und der Kampf endet, wie alle Kämpfe, mit einem Sieg oder einer Niederlage. Das ist Plädieren! Die Gefahr macht die Beredsamkeit. Ein Angeklagter, der mir nach meiner Replik zulächeln würde, würde mich glauben machen, daß ich schlecht gesprochen hätte. Denken Sie sich das Gefühl des Stolzes, das ein von der Schuld des Angeklagten überzeugter Staatsanwalt empfi ndet, wenn er den Schuldigen erblassen und unter dem Gewicht der Beweise und der niederschmetternden Wirkung seiner Beredsamkeit sich beugen sieht! Dieser Kopf neigt sich, er wird fallen …«
    Renée stieß einen leichten Schrei aus.
    »Das nennt man sprechen«, bemerkte einer der Anwesenden.
    »Das ist ein Mann, wie wir ihn in Zeiten wie die unsern brauchen!« äußerte ein zweiter.
    »In Ihrem letzten Prozeß waren Sie prachtvoll, mein lieber Villefort«, sagte ein dritter. »Sie wissen, dieser Mensch, der seinen Vater ermordet hatte; Sie haben ihn buchstäblich getötet, ehe der Henker ihn nur berührt hat.«
    »Oh, bei Vatermördern ist das etwas anderes«, meinte Renée, »für solche Menschen gibt es keine zu große Strafe; aber bei den unglücklichen politischen Angeklagten …!«
    »Das ist schlimmer, Renée, denn der König ist der Vater des Volkes, und den König stürzen oder töten wollen, heißt, den Vater von zweiunddreißig Millionen Menschen töten wollen.«
    »Oh, einerlei, Herr von Villefort«, antwortete Renée, »versprechen Sie mir, gegen diejenigen, die ich Ihnen empfehlen werde, nachsichtig zu sein?«
    »Seien Sie beruhigt«, sagte Villefort mit seinem liebenswürdigsten Lächeln, »wir werden meine Anträge zusammen machen.«
    »Liebes Kind«, riet die Marquise, »kümmere dich um deine Koli-bris, deine Schoßhunde und deinen Putz, und laß deinen künftigen Gemahl sein Geschäft besorgen. Heute ruhen die Waff en, und der Talar steht in Ansehen.«
    »Ich glaube, ich möchte lieber, Sie wären Arzt«, begann Renée wieder; »der Würgeengel, wenn er auch ein Engel ist, hat mich immer sehr erschreckt.«
    »Gute Renée!« murmelte Villefort, das junge Mädchen mit einem Blick voll Liebe umfassend.
    »Liebe Tochter«, sagte der Marquis, »Herr von Villefort wird der moralische und politische Arzt dieser Provinz sein; glaube mir, das ist eine schöne Rolle, die er da zu spielen hat.«
    »Und das wird ein Mittel sein, diejenige, die sein Vater gespielt hat, vergessen zu machen«, fi ng die unverbesserliche Marquise wieder an.
    »Gnädige Frau«, entgegnete Villefort mit einem melancholischen Lächeln, »ich hatte schon die Ehre, Ihnen zu sagen, daß mein Vater, wie ich wenigstens hoff e, die Irrtümer seiner Vergangenheit abge-schworen hat und ein eifriger Freund der Religion und Ordnung geworden ist, ein besserer Royalist vielleicht als ich selbst, denn er wäre es mit Reue, und ich bin es nur mit Leidenschaft.«
    Nach dieser wohlgesetzten Redewendung blickte Villefort die Anwesenden an, wie er im Gerichtssaal die Zuhörer angesehen haben würde, um sich von der Wirkung seiner Beredsamkeit zu überzeugen.
    »Sehen Sie, mein lieber Villefort«, sagte der Graf von Salvieux,
    »gerade das habe ich vorgestern in den Tuilerien dem Minister des königlichen Hauses geantwortet, der mich wegen dieser seltsamen Verbindung zwischen dem Sohn eines Girondisten und der Tochter eines Offi ziers der Armee Condés befragte, und der Minister hat sehr gut verstanden. Dieses Fusionssystem ist das Ludwigs XVIII. Der König, der, ohne daß wir es ahnten, unsere Unterhaltung mit angehört hatte, unterbrach uns denn auch, indem er sagte: ›Villefort …‹
    Beachten Sie, daß der König den Namen Noirtier nicht aussprach, vielmehr einen Nachdruck auf den Namen Villefort legte! ›Villefort‹, sagte also der König, ›wird eine gute Laufbahn vor sich haben; er ist ein schon reifer junger Mann und mir ergeben. Ich habe mit Vergnügen gesehen, daß der Marquis und die Marquise von Saint-Méran ihn zum Schwiegersohn erwählt haben, und hätte ihnen die Verbindung geraten, wenn sie mich nicht zuerst um die Erlaubnis dazu gebeten hätten.‹«
    »Das hat der König gesagt?« rief Villefort entzückt.
    »Ich

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