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Der Graf von Monte Christo 1

Der Graf von Monte Christo 1

Titel: Der Graf von Monte Christo 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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Ihnen, wie ich zuerst ge-hoff t hatte, sofort die Freiheit wiederzugeben; ich muß, ehe ich diese Maßregel ergreifen kann, erst mit dem Untersuchungsrichter Rücksprache nehmen. Inzwischen haben Sie gesehen, in welcher Weise ich mit Ihnen verfahren bin.«
    »O ja, mein Herr«, antwortete Dantès, »und ich danke Ihnen, denn Sie haben mich mehr als Freund denn als Richter behandelt.«
    »Ich werde Sie noch einige Zeit als Gefangenen behalten, so kurze Zeit wie irgend möglich; der Hauptbeweis, der gegen Sie existiert, ist dieser Brief, und Sie sehen …«
    Villefort trat an den Kamin, warf den Brief ins Feuer und blieb stehen, bis er in Asche verwandelt war.
    »Und Sie sehen«, fuhr er fort, »ich vernichte ihn.«
    »Oh«, rief Dantès, »Sie sind mehr als die Gerechtigkeit, Sie sind die Güte selbst!«
    »Aber hören Sie«, fuhr Villefort fort, »nach solch einer Hand-lungsweise erkennen Sie wohl, daß Sie zu mir Vertrauen haben können, nicht wahr?«
    »Befehlen Sie, mein Herr, und ich werde Ihren Befehlen folgen.«
    »Nein«, sagte Villefort, an den jungen Mann herantretend, »es sind keine Befehle, die ich Ihnen geben will; Sie begreifen, es sind Ratschläge.«
    »Sprechen Sie, und ich werde ihnen wie Befehlen folgen.«
    »Ich werde Sie bis zum Abend hier im Justizpalast behalten; vielleicht kommt ein anderer, um Sie zu verhören; sagen Sie alles, was Sie mir gesagt haben, aber kein Wort von diesem Brief.«
    »Ich verspreche es Ihnen, mein Herr.«
    Es schien, als ob Villefort der Bittende und der Angeklagte der Richter wäre.
    »Sie verstehen«, sagte er, einen Blick auf die Asche werfend, die noch die Form des Papiers bewahrt hatte, »jetzt ist dieser Brief vernichtet. Sie und ich allein wissen, daß er existiert hat; leugnen Sie ihn also ab, wenn man ihn erwähnt, verleugnen Sie ihn dreist, und Sie werden gerettet sein.«
    »Ich werde leugnen, seien Sie ruhig, mein Herr«, antwortete Dantès.
    »Gut«, sagte Villefort und griff nach dem Glockenzug, aber plötzlich hielt er inne und fragte:
    »Es war der einzige Brief, den Sie hatten?«
    »Der einzige.«
    »Schwören Sie es.«
    Dantès erhob die Hand.
    »Ich schwöre es«, sagte er.
    Villefort schellte.
    Der Polizeikommissar trat ein.
    Villefort trat an den Beamten heran und sagte ihm einige Worte ins Ohr; der Kommissar antwortete nur mit einem Kopfnicken.
    »Folgen Sie dem Herrn«, sagte Villefort zu Dantès.
    Dantès verneigte sich, warf Villefort einen dankbaren Blick zu und ging. Kaum hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen, so verließen Villefort die Kräfte, und er sank fast ohnmächtig in einen Fauteuil.
    Nach einem Augenblick murmelte er dann:
    »O mein Gott, woran hängt Leben und Glück …! Wäre der Staatsanwalt in Marseille gewesen, wäre der Untersuchungsrichter statt meiner gerufen worden, ich wäre verloren, dieses verwünschte Papier stürzte mich in den Abgrund. O Vater, Vater, wirst du denn immer meinem Glück in dieser Welt ein Hindernis sein, und muß ich ewig mit deiner Vergangenheit kämpfen?«
    Plötzlich schien ihm ein unerwarteter Einfall durch die Seele zu gehen. Sein Gesicht hellte sich auf, ein Lächeln spielte um seinen krampfhaft verzogenen Mund, seine verstörten Augen schienen sich auf einen Gedanken zu richten.
    »Das ist’s«, sagte er, »dieser Brief, der mich verderben konnte, wird vielleicht mein Glück machen. Auf, Villefort, ans Werk!«
    Und nachdem er sich vergewissert hatte, daß der Angeschuldigte nicht mehr im Vorzimmer war, verließ er die Wohnung und schlug raschen Schritts den Weg nach dem Hause seiner Braut ein.
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    Während der Polizeikommissar das Vorzimmer durchschritt, gab er zwei Gendarmen ein Zeichen, worauf diese Dantès in ihre Mitte nahmen; eine Tür, welche die Wohnung des Staatsanwalts mit dem Justizpalast verband, öff nete sich, und eine Zeitlang ging es einen jener großen fi nsteren Korridore entlang, welche diejenigen, die sie durchschreiten, erschauern machen, selbst wenn sie keinen Grund zu zittern haben.
    Wie die Wohnung Villeforts mit dem Justizpalast in Verbindung stand, so stand dieser wieder mit dem Gefängnis in Verbindung.
    Nach vielen Wendungen in dem Korridor, den sie entlangschrit-ten, sah Dantès eine Tür mit einem eisernen Riegel sich öff nen; der Kommissar tat mit einem eisernen Klopfer drei Schläge, die in Dantès widerhallten, als ob sie gegen sein Herz geschlagen würden; die Tür öff nete sich, und die beiden Gendarmen schoben ihren

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