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Der Graf von Monte Christo 1

Der Graf von Monte Christo 1

Titel: Der Graf von Monte Christo 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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mitzuteilen, werde ich kaum zwei Jahre brauchen.«
    »Zwei Jahre!« sagte Dantès. »Sie glauben, daß ich alle diese Dinge in zwei Jahren lernen könnte?«
    »In ihrer Anwendung, nein, in ihren Prinzipien, ja.«
    Noch an demselben Abend entwarfen die beiden Gefangenen einen Lehrplan, nach dem zu lehren und zu lernen sie am andern Tag begannen. Dantès hatte ein ausgezeichnetes Gedächtnis und eine außerordentlich leichte Auff assung. In der Mathematik machte er rasche Fortschritte, Italienisch und etwas Griechisch, das er auf seinen Reisen nach dem Orient kennengelernt hatte, kannte er schon, und nach einem halben Jahr begann er spanisch, englisch und deutsch zu sprechen.
    Wie er dem Abbé Faria gesagt hatte, sprach er nicht mehr von Flucht; die Tage verfl ossen für ihn schnell, da ihm jeder neue Be-lehrung brachte, und nach Ablauf eines Jahres war er ein anderer Mensch.
    Unterdessen bemerkte Dantès, daß der Abbé Faria alle Tage trüb-sinniger wurde, trotz der Zerstreuung, welche seine Gegenwart ihm brachte. Er schien beständig von einem Gedanken gequält zu sein; er versank in tiefes Brüten, seufzte unwillkürlich, stand manchmal plötzlich auf und ging mit gekreuzten Armen im Zimmer umher.
    Eines Tages blieb er plötzlich stehen und rief:
    »Ah, wenn keine Schildwache dastände!«
    »Es wird keine da sein, wenn Sie wollen«, sagte Dantès, der sogleich verstand, was der Abbé meinte.
    »Oh, ich habe Ihnen gesagt, daß mir ein Mord zuwider ist«, fuhr der Abbé fort.
    »Dieser Mord würde indessen nur aus dem Instinkt unserer Selbst-erhaltung und zu unserer persönlichen Verteidigung geschehen.«
    »Einerlei, ich könnte es nicht.«:
    »Aber Sie denken daran?«
    »Unaufhörlich, unaufhörlich«, murmelte der Abbé.
    »Und Sie haben ein Mittel gefunden, nicht wahr?« fragte Dantès lebhaft.
    »Ja, wenn man eine blinde und taube Schildwache auf die Galerie stellen könnte.«
    »Sie wird blind und taub sein«, antwortete der junge Mann in einem Ton, der den Abbé erschreckte.
    »Nein, nein«, rief er, »unmöglich!«
    Dantès wollte bei dem Th
    ema bleiben, aber der Abbé schüttelte
    den Kopf und weigerte sich, weiter zu antworten.
    Drei Monate verfl ossen.
    »Sind Sie stark?« fragte der Abbé eines Tages.
    Dantès nahm, ohne zu antworten, den Meißel, bog ihn wie ein Hufeisen und richtete ihn wieder gerade.
    »Wollen Sie mir versprechen, die Schildwache nur im äußersten Notfall zu töten?«
    »Ja, auf Ehre!«
    »Dann können wir unsern Plan ausführen«, sagte der Abbé.
    »Und wie lange werden wir dazu brauchen?«
    »Ein Jahr wenigstens.«
    »Wir könnten aber an die Arbeit gehen?«
    »Sofort.«
    »Oh, sehen Sie, wir haben ein Jahr verloren!« rief Dantès.
    »Glauben Sie, daß wir es verloren haben?« fragte der Abbé.
    »Oh, verzeihen Sie mir«, sagte Edmund errötend.
    »Lassen Sie«, entgegnete der Abbé; »der Mensch ist immer nur Mensch, und Sie sind noch einer der besten, die ich kennengelernt habe. Hier ist mein Plan.«
    Der Abbé zeigte Dantès nun eine von ihm angefertigte Zeichnung; es war der Plan seiner Zelle, derjenigen Dantès’ und des beide ver-bindenden Korridors. Von dessen Mitte aus sollte ein unterirdischer Gang hergestellt werden, durch den die beiden Gefangenen nach der Galerie gelangen wollten, wo die Schildwache ging. Einmal dahin gelangt, sollte eine große Höhle gemacht und eine der Steinplatten, die den Bodenbelag der Galerie bildeten, losgelöst werden. Die Platte würde im gegebenen Augenblick unter dem Gewicht des Soldaten versinken, der in der Ausschachtung verschwände. Dantès sollte sich in dem Moment, da der Posten, von seinem Sturz betäubt, keinen Widerstand leisten könnte, auf ihn werfen, ihn binden und knebeln, worauf sie dann beide durch das Fenster der Galerie mit Hilfe der Strickleiter an der Außenmauer hinabklettern und fl iehen würden.
    Dantès klatschte in die Hände, und seine Augen leuchteten vor Freude; dieser Plan war so einfach, daß er gelingen mußte.
    Noch an demselben Tage machten sie sich mit Eifer ans Werk. Sie unterbrachen ihre Arbeit nur um die Zeit, wenn der Wärter kam und beide in ihre Zellen zurückkehren mußten. Sie hatten sich übrigens daran gewöhnt, an dem unmerklichen Geräusch von Schritten den Augenblick zu erkennen, da der Mann herabkam, und niemals wurde einer von ihnen unversehens überrascht. Die Erde, die sie ausschachteten und die den alten Gang schließlich verstopft hätte, wurde nach und nach mit größter Vorsicht durch

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