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Der Graf von Monte Christo 1

Der Graf von Monte Christo 1

Titel: Der Graf von Monte Christo 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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ledig.«
    »Nannte er sich nicht Faria?« fragte einer der Offi ziere, die den Gouverneur begleiteten.
    »Jawohl, und nach seiner Behauptung wäre das ein alter Name.
    Übrigens war er sehr gelehrt und sogar ziemlich vernünftig in allem, was nicht seinen Schatz betraf; hier aber war er unverbesserlich.«
    »Wir nennen diese Krankheit Monomanie«, sagte der Arzt gleichgültig.
    »Sie hatten sich nie über ihn zu beklagen?« fragte der Gouverneur den Wärter, der dem Abbé die Speisen zu bringen gehabt hatte.
    »Nie, niemals«, antwortete der Schließer, »im Gegenteil, er amü-
    sierte mich mit seinen Geschichten. Eines Tages, als meine Frau krank war, hat er mir sogar ein Rezept gegeben, das geholfen hat.«
    »Ah«, sagte der Arzt, »ich wußte nicht, daß ich es mit einem Kol-legen zu tun hatte. Hoff entlich, Herr Gouverneur«, fügte er lachend hinzu, »werden Sie ihn danach behandeln.«
    »Ja, ja, seien Sie unbesorgt, er soll anständig in dem neuesten Sack, der aufzufi nden ist, bestattet werden. Sind Sie zufrieden?«
    »Müssen wir diese letzte Formalität in Ihrer Gegenwart erfüllen, Herr Gouverneur?« fragte einer der Schließer.
    »Allerdings, aber schnell; ich kann nicht den ganzen Tag hier in der Zelle bleiben.«
    Wiederum entfernten sich Schritte und kamen wieder. Einen Augenblick darauf hörte Dantès Leinwand knistern, die Federn des Bettes knarrten, der schwere Tritt eines Mannes, der eine Last trägt, ertönte auf den Platten, dann knarrte das Bett von neuem unter der Last, die man wieder darauf legte.
    »Auf heute abend!« sagte der Gouverneur.
    »Findet eine Messe statt?« fragte einer der Offi ziere.
    »Unmöglich«, antwortete der Gouverneur, »der Kaplan hat mich gestern um Urlaub zu einer achttägigen Reise gebeten; ich habe mich für alle meine Gefangenen während dieser Zeit verbürgt. Der arme Abbé hätte sich nicht so beeilen sollen, dann hätte er sein Requiem bekommen.«
    »Pah«, meinte der Arzt, »er ist ein Mann der Kirche, und der liebe Gott wird auf seinen Stand Rücksicht nehmen und der Hölle nicht das boshafte Vergnügen gewähren, ihr einen Priester zu schicken.«
    Ein lautes Gelächter folgte diesem schlechten Witz.
    Während dieser Zeit knarrte das Bett oft.
    »Auf heute abend!« sagte endlich der Gouverneur.
    »Um welche Zeit?« fragte der Schließer.
    »Nun, gegen zehn oder elf.«
    »Soll der Tote bewacht werden?«
    »Wozu? Man schließt die Zelle ab, als ob er lebe, weiter nichts.«
    Dann entfernten sich die Schritte, die Stimmen wurden schwächer, die Tür wurde zugeschlagen, und das Schloß und die Riegel knarrten. Eine Stille, trauriger als diejenige der Einsamkeit, die Stille des Todes, legte sich auf alles, auch auf die Seele des jungen Mannes.
    Dann hob er mit dem Kopf langsam die Platte und warf einen forschenden Blick in die Zelle.
    Die Zelle war leer; Dantès kam aus dem Gang hervor.
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    Auf dem Bett lag, schwach beleuchtet von dem durch das Fenster hereinfallenden Licht eines nebligen Tages, ein Sack aus grober Leinwand, unter dessen großen Falten sich undeutlich eine lange, starre Form abzeichnete.
    Dantès setzte sich an das Kopfende des Bettes und versank in dü-
    stere Schwermut.
    Also war alles aus; er war wieder allein, wieder zurückgesunken in die Stille, befand sich wieder im Angesicht des Nichts!
    Der Gedanke an Selbstmord, den sein Freund durch seine Gegenwart vertrieben hatte, richtete sich wieder wie ein Gespenst neben dem Leichnam Farias auf.
    »Wenn ich sterben könnte«, sagte er, »ginge ich hin, wo er ist, und fände ihn sicherlich wieder. Aber wie sterben? Es ist sehr leicht«, füg-te er hinzu; »ich bleibe hier, falle über den ersten, der eintritt, her, erdrossele ihn und werde geköpft.«
    Aber Dantès fuhr vor der Vorstellung dieses schändlichen Todes zurück, und an die Stelle der Verzweifl ung trat plötzlich ein brennendes Verlangen nach Leben und Freiheit.
    »Sterben? O nein«, rief er, »es ist nicht der Mühe wert, so lange gelebt, so lange gelitten zu haben, um jetzt zu sterben! Nein, ich will leben, ich will kämpfen bis zum äußersten; nein, ich will das Glück wiedererobern, das man mir geraubt hat. Ich habe noch, ehe ich sterbe, meine Henker zu bestrafen und vielleicht, wer weiß, auch einige Freunde zu belohnen! Aber jetzt wird man mich hier vergessen, und ich werde meinen Kerker nur wie Faria verlassen.«
    Aber bei diesem Wort blieb Edmund unbeweglich, mit

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