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Der Graf von Monte Christo 1

Der Graf von Monte Christo 1

Titel: Der Graf von Monte Christo 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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stieg er dann frei an die Oberfl äche, während die Kugel den Sack, der beinahe sein Leichentuch geworden wäre, in die unbekannte Tiefe zog.
    Dantès schöpfte nur eben Atem und tauchte wieder unter, denn er mußte vor allen Dingen vermeiden, gesehen zu werden.
    Als er zum zweitenmal an der Oberfl äche erschien, war er schon wenigstens fünfzig Schritt von dem Ort seines Sturzes entfernt; er sah über sich den schwarzen stürmischen Himmel, an dem der Wind einige Wolken hinfegte; vor ihm dehnte sich die fi nstere, brüllende Fläche aus, auf der die Wogen wie beim Nahen eines Sturmes zu kochen begannen, während hinter ihm, schwärzer als Meer und Himmel, wie ein drohendes Gespenst der Granitriese aufstieg, dessen fi nstere Spitze sich einem Arme gleich auszustrecken schien, um seine Beute wieder zu ergreifen. Auf dem höchsten Felsen erhellte eine Laterne zwei Männer.
    Diese beiden Männer schienen sich voll Unruhe nach dem Meer hinabzubeugen; in der Tat mußten diese seltsamen Totengräber den Schrei vernommen haben, den Dantès ausgestoßen hatte. Edmund tauchte deshalb von neuem und schwamm eine lange Strecke unter Wasser dahin; dieses Kunststück hatte er früher oft ausgeführt und damit zahlreiche Bewunderer an der Pharobucht versammelt, die ihn für den geschicktesten Schwimmer von Marseille erklärt hatten.
    Als er wieder an die Oberfl äche kam, war von der Laterne nichts mehr zu sehen.
    Er mußte sich entschließen, wohin er sich wenden wollte. Von allen das Schloß If umgebenden Inseln waren Ratonneau und Pommègue die nächsten, aber beide waren bewohnt, ebenso die kleine Insel Daume; die sichersten Inseln waren also Tiboulen und Lemaire, aber beide waren eine Meile von Schloß If entfernt. Dantès beschloß nichtsdestoweniger eine dieser beiden Inseln zu gewinnen. Wie aber sollte er sie inmitten der Finsternis, die sich jeden Augenblick um ihn vergrößerte, fi nden?
    In diesem Augenblick sah er wie einen Stern den Leuchtturm von Planier glänzen.
    Wenn er gerade auf diesen Leuchtturm zuhielte, ließe er die Insel Tiboulen etwas links liegen; hielte er sich also etwas nach links, so müßte er auf die Insel stoßen.
    Freilich betrug die Entfernung eine Meile, aber Dantès sah zu seiner Freude, daß seine erzwungene Untätigkeit ihm nichts von seiner Kraft und Gewandtheit geraubt hatte; er fühlte, daß er noch immer Herr des Elements war, in dem er schon als Kind zu Hause gewesen war.
    Zudem verdoppelte die Angst seine Kräfte; er lauschte, über die Kämme der Wogen gebeugt, ob kein Geräusch bis zu ihm dringe.
    Jedesmal, wenn er sich mit einer Woge erhob, umfaßte sein Blick schnell den sichtbaren Horizont und versuchte die dichte Finsternis zu durchdringen; jede sich etwas über die andere erhebende Woge schien ihm ein verfolgendes Boot zu sein, und dann verdoppelte er seine Anstrengungen, die ihn ohne Zweifel weiter brachten, aber seine Kräfte erschöpfen mußten.
    Eine Stunde verfl oß, während der Dantès, durch das Gefühl der Freiheit angespannt, ohne Unterbrechung die Fluten in der Richtung, die er sich gesteckt hatte, teilte.
    Obgleich der Wind ihm entgegen gewesen war, mußte er jetzt, seiner Berechnung nach, nicht mehr weit von der Insel Tiboulen entfernt sein.
    Wenn er sich aber getäuscht hatte!
    Ein Schauer ging durch den Körper des Schwimmers; er versuchte es, sich einen Augenblick lang auf dem Rücken liegend treiben zu lassen, um sich auszuruhen; aber das Meer wurde immer unruhiger, und er sah bald ein, daß dieses Mittel, auf das er gerechnet hatte, unmöglich war.
    »Nun, sei’s denn«, sagte er, »ich werde schwimmen, bis mir die Arme erlahmen und der Krampf mich erfaßt!«
    Und mit der Kraft und Energie der Verzweifl ung schwamm er weiter.
    Plötzlich schien es ihm, daß der bereits so dunkle Himmel sich noch mehr verfi nstere, daß eine dichte, schwere Wolke auf ihn herabsänke; zugleich fühlte er einen heftigen Schmerz im Knie.
    Er wähnte sich sofort von einer Kugel getroff en und erwartete im nächsten Augenblick den Knall eines Gewehrs zu hören; aber er vernahm keinen Knall. Dantès streckte die Hand aus und fühlte einen Widerstand, er zog sein anderes Bein an sich und berührte den Grund; nun sah er, was das war, was er für eine Wolke gehalten hatte.
    Zwanzig Schritt vor ihm erhob sich eine Masse wunderlich ge-formter Felsen: Es war die Insel Tiboulen.
    Dantès erhob sich, trat einige Schritte vorwärts und sank auf die Felsenspitzen, die ihm weicher erschienen

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