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Der Graf von Monte Christo 2

Der Graf von Monte Christo 2

Titel: Der Graf von Monte Christo 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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Eduard befi nden mußte; dieser Leichnam schien mit off enen Augen und einem geheimnisvol-len ironischen Lächeln um die Lippen die Schwelle zu bewachen.
    Hinter dem Leichnam ließ der aufgeraff te Türvorhang einen Teil des Boudoirs überblicken; man sah ein Klavier und das Ende eines mit blauem Atlas überzogenen Diwans.
    Villefort ging drei oder vier Schritt und sah sein Kind auf dem Diwan liegen; es schlief jedenfalls.
    Der Unglückliche empfand eine unbeschreibliche Freude; ein Strahl reinen Lichts fi el in die Hölle, in der er sich quälte.
    Es handelte sich also nur darum, über den Leichnam fort in das Boudoir zu gehen, das Kind in seine Arme zu nehmen und mit ihm zu entfl iehen.
    Villefort war nicht mehr der verdorbene Gesellschaftsmensch; er war ein bis auf den Tod verwundeter Tiger, der beim letzten Biß seine zerbrochenen Zähne fühlt.
    Er hatte keine Furcht mehr vor Vorurteilen, sondern vor Gespen-stern. Er nahm einen Anlauf und sprang über den Leichnam, als ob es sich darum gehandelt hätte, über einen Haufen glühender Kohlen zu setzen.
    Er hob das Kind auf, drückte es an sich, schüttelte es, nannte es mit Namen; das Kind antwortete nicht. Er drückte gierig die Lippen auf die Wangen des Knaben; die Wangen waren fahl und eisig; er betastete die steifen Glieder, legte die Hand auf das Herz des Knaben; das Herz schlug nicht mehr.
    Das Kind war tot.
    Ein zusammengefalteter Zettel fi el von der Brust Eduards. Villefort, niedergeschmettert, sank in die Knie; das Kind entfi el seinen kraft-losen Armen und rollte neben die Mutter.
    Villefort hob den Zettel auf, erkannte die Handschrift seiner Frau und las gierig:
    »Sie wissen, daß ich eine gute Mutter war, da ich für meinen Sohn zur Verbrecherin geworden bin!
    Eine gute Mutter scheidet nicht ohne ihren Sohn!«
    Villefort konnte seinen Augen, konnte seinem Verstand nicht glauben.
    Er schleppte sich zum Körper Eduards und untersuchte ihn noch einmal mit der Aufmerksamkeit, mit der die Löwin ihr gestorbenes Junges prüft.
    Dann entrang sich seiner Brust ein herzzerreißender, gellender Schrei. »Gott!« murmelte er. »Immer wieder Gott!«
    Diese beiden Opfer erschreckten ihn; er fühlte das Entsetzen in sich aufsteigen, er beugte seinen Kopf unter dem Gewicht der Schmerzen.
    Er erhob sich, schüttelte sein schweißfeuchtes, vor Schrecken gesträubtes Haar, und er, der nie mit jemand Mitleid gehabt hatte, ging, um den Greis, seinen Vater, aufzusuchen, um in seiner Schwäche jemand zu haben, dem er sein Unglück erzählen, bei dem er weinen konnte.
    Er eilte die Treppe hinunter und trat bei Noirtier ein. Bei seinem Eintritt schien Noirtier so aufmerksam und liebevoll, wie es seine Unbeweglichkeit erlaubte, dem Abbé Busoni zuzuhören, der so ruhig und kalt war wie gewöhnlich.
    Als Villefort den Abbé bemerkte, legte er die Hand an die Stirn.
    Die Vergangenheit kam zurück wie eine Woge, deren Zorn mehr Schaum aufwirft als die andern Wogen. Er erinnerte sich des Besuches, den er dem Abbé gemacht hatte, als er sich bei ihm nach dem Grafen von Monte Christo erkundigt hatte, und des Besuches, den der Abbé ihm selbst am Todestag Valentines gemacht.
    »Sie hier!« sagte er. »Erscheinen Sie denn nie anders, als um den Tod zu begleiten?«
    Busoni richtete sich auf; als er die Erregung im Gesicht des Staatsanwalts, den wilden Schimmer seiner Augen sah, begriff er, daß, was sich vor Gericht ereignen sollte, sich ereignet hatte; das übrige wußte er nicht.
    »Ich war damals gekommen, um an der Leiche Ihrer Tochter zu beten«, antwortete Busoni.
    »Und heute, was wollen Sie heute hier?«
    »Ich komme, um Ihnen zu sagen, daß Sie mir Ihre Schuld genug-sam bezahlt haben und daß ich von jetzt an Gott bitten werde, daß er sich zufriedengeben möge wie ich.«
    »Mein Gott!« rief Villefort, entsetzt zurückweichend. »Diese Stimme! Das ist nicht die des Abbés Busoni!«
    »Nein.«
    Der Abbé riß sich die falsche Tonsur ab und schüttelte den Kopf.
    Sein langes schwarzes Haar fi el ihm auf die Schultern und umrahm-te sein männliches Gesicht.
    »Das ist das Gesicht des Grafen von Monte Christo!« rief Villefort mit verstörten Augen.
    »Es ist noch nicht das richtige, Herr Staatsanwalt, besinnen Sie sich besser und aus fernerer Zeit!«
    »Diese Stimme! Wo habe ich sie zum erstenmal gehört?«
    »Sie haben sie zum erstenmal gehört in Marseille vor dreiundzwan-zig Jahren, am Tag Ihrer Verlobung mit Fräulein von Saint-Méran.
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