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Der Graf von Monte Christo 2

Der Graf von Monte Christo 2

Titel: Der Graf von Monte Christo 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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ihr Kind liebt, sie wird bereuen, niemand wird wissen, daß sie schuldig war. Diese in meinem Haus begangenen Verbrechen, derentwegen man sich schon beunruhigt, werden mit der Zeit vergessen werden; oder wenn sich einige Feinde daran erinnern, nehme ich sie mit auf mich. Eins, zwei, drei mehr, was macht das! Meine Frau wird sich retten und meinen Sohn mitnehmen, fern von dem Abgrund, in den die Welt mit mir zu stürzen scheint. Sie wird leben, wird noch glücklich sein, da alle ihre Liebe ihrem Sohn gehört und ihr Sohn sie nicht verlassen wird.
    Ich werde eine gute Tat tun, das wird das Herz erleichtern.
    Und der Staatsanwalt atmete freier als seit langem.
    Der Wagen hielt im Hof seines Hauses.
    Villefort sprang heraus; er sah, daß die Dienstboten überrascht waren, daß er so schnell zurückgekommen war, sonst las er nichts in ihren Gesichtern. Keiner redete ihn an; sie blieben wie gewöhnlich vor ihm stehen, um ihn vorüberzulassen, weiter nichts.
    Er kam an dem Zimmer Noirtiers vorbei und bemerkte durch die angelehnte Tür zwei Schatten, aber es kümmerte ihn nicht, wer bei seinem Vater sei; seine Unruhe zog ihn woandershin.
    »Nun«, sagte er, indem er die kleine Treppe emporstieg, die zum Flur führte, wo die Zimmer seiner Frau und das leere Zimmer Valentines lagen; »hier ist nichts verändert.«
    Vor allem schloß er die Flurtür.
    »Niemand darf uns stören«, sagte er, »ich muß frei mit ihr sprechen, mich vor ihr anklagen, ihr alles sagen …«
    Er trat an die Tür und faßte an den Glasknopf; die Tür gab nach.
    »Nicht geschlossen! Oh, gut, sehr gut!« murmelte er.
    Er trat in den kleinen Salon, wo man alle Abende das Bett für Eduard herrichtete; denn obgleich der Knabe in Pension war, so kam er doch jeden Abend nach Hause; seine Mutter hatte sich nie von ihm trennen wollen.
    Villefort umfaßte mit einem Blick das ganze Zimmer.
    »Niemand«, sagte er; »sie ist jedenfalls im Schlafzimmer.«
    Er ging zur Tür; sie war verriegelt. Zitternd blieb er stehen.
    »Heloise!« rief er.
    Es war ihm, als ob ein Möbel bewegt würde.
    »Heloise!« wiederholte er.
    »Wer ist da?« fragte die Stimme derjenigen, die er rief.
    Es kam ihm vor, als ob die Stimme viel schwächer wäre als sonst.
    »Öff nen Sie, öff nen Sie!« rief Villefort. »Ich bin’s!«
    Aber trotz dieses Befehls, trotz des Tones der Angst, in dem er gegeben war, wurde nicht geöff net.
    Villefort trat die Tür ein.
    Frau von Villefort stand bleich und mit verzerrten Zügen am Eingang zu ihrem Boudoir und sah ihn mit Augen voll schrecklicher Starrheit an.
    »Heloise, Heloise!« sagte er. »Was haben Sie? Sprechen Sie!«
    Die junge Frau streckte ihre steife und fahle Hand gegen ihn aus.
    »Es ist geschehen«, sagte sie mit einem Röcheln, das ihr die Kehle zu zerreißen schien; »was wollen Sie denn noch mehr?«
    Und sie stürzte in voller Länge auf den Teppich.
    Villefort eilte auf sie zu und erfaßte ihre Hand. Diese Hand drück-te krampfhaft ein Kristallfl äschchen mit goldenem Stöpsel.
    Frau von Villefort war tot.
    Villefort taumelte vor Entsetzen bis zur Schwelle zurück und betrachtete den Leichnam.
    »Mein Sohn!« rief er plötzlich. »Wo ist mein Sohn? Eduard!
    Eduard!«
    Dieser Name wurde mit solcher Angst gerufen, daß die Dienstboten herbeieilten.
    »Mein Sohn, wo ist mein Sohn?« fragte Villefort. »Er soll aus dem Haus gebracht werden, er soll nicht sehen …«
    »Eduard ist nicht unten, gnädiger Herr«, antwortete der Kammerdiener.
    »Er spielt jedenfalls im Garten; sehen Sie nach!«
    »Nein, gnädiger Herr. Die gnädige Frau hat ihn vor etwa einer halben Stunde gerufen; er ist zu ihr gegangen und noch nicht wieder heruntergekommen.«
    Eisiger Schweiß trat auf Villeforts Stirn, seine Füße strauchelten, die Gedanken begannen sich in seinem Kopf zu drehen.
    »Er ist zu ihr gegangen«, murmelte er, »zu ihr gegangen!« Und er kehrte langsam um, indem er sich mit der einen Hand die Stirn wischte, während er sich mit der andern an den Wänden festhielt.
    Wenn er wieder in das Zimmer trat, mußte er die Leiche der un-glücklichen Frau nochmals sehen. Wollte er Eduard rufen, so muß-
    te er das Echo dieses Totenzimmers wecken, die Stille des Grabes stören.
    »Eduard, Eduard!« stammelte er.
    Das Kind antwortete nicht. Wo war denn das Kind, das zu seiner Mutter hinaufgegangen und noch nicht wieder heruntergekommen war?
    Villefort tat einen Schritt vorwärts. Der Leichnam seiner Frau lag quer vor der Tür zum Boudoir, in dem sich

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