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Der Graf von Monte Christo 2

Der Graf von Monte Christo 2

Titel: Der Graf von Monte Christo 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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er totenbleich.
    »Ich bin im vollen Besitz meiner Geisteskräfte«, sagte er; »der Körper allein leidet, und das ist begreifl ich. Ich bekenne mich schuldig alles dessen, was dieser junge Mann gegen mich vorgebracht hat, und halte mich von jetzt ab in meinem Haus zur Verfügung meines Nachfolgers.«
    Und indem Villefort dies mit dumpfer, fast erstickter Stimme sagte, wandte er sich schwankend zur Tür, die ein Gerichtsdiener mechanisch vor ihm öff nete.
    Die ganze Versammlung blieb nach diesem Geständnis stumm und fassungslos.
    »Die Sitzung ist aufgehoben, meine Herren«, sagte der Präsident;
    »der Prozeß wird auf die nächste Sitzungsperiode verschoben. Die Untersuchung muß von neuem und durch einen andern Beamten aufgenommen werden.«
    Andrea verließ immer noch ebenso ruhig und viel interessanter den Saal in Begleitung der Gendarmen, die ihm unwillkürlich Achtung bezeigten.
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    Es wäre schwierig gewesen, den Zustand von Erstarrung zu schil-dern, in dem Villefort sich befand, als er den Gerichtspalast verließ.
    Er schleppte sich die Korridore entlang, nur von der Gewohnheit geführt; er warf das Amtskleid von der Schulter, nicht weil er das für angemessen hielt, sondern weil es eine drückende Last für ihn war. Taumelnd gelangte er in den Hof, sah seinen Wagen, weckte den Kutscher, öff nete selbst den Schlag und sank auf die Kissen, indem er mit dem Finger in die Richtung des Faubourg Saint-Honoré zeigte. Der Wagen fuhr davon.
    Das ganze Gewicht seines zusammengestürzten Glücks war ihm aufs Haupt gefallen; dieses Gewicht zermalmte ihn, er wußte die Folgen nicht, hatte sie nicht erwogen; aber er fühlte sie.
    »Gott!« murmelte er, ohne zu wissen, was er sagte. »Gott! Gott!«
    Der Wagen fuhr schnell; während Villefort sich auf dem Polster bewegte, fühlte er etwas, was ihm im Wege war. Er faßte hin, es war ein Fächer seiner Frau, der zwischen die Polster gerutscht war. Dieser Fächer weckte eine Erinnerung; Villefort dachte an seine Frau.
    »Oh!« rief er, als ob ihm ein glühendes Eisen ins Herz gestoßen worden wäre.
    Seit einer Stunde hatte er nur noch eine Seite seines Elends vor Augen, und plötzlich bot sich seinem Geist eine andre, eine nicht weniger schreckliche als diese.
    Dieser Frau gegenüber war er soeben der unerbittliche Richter gewesen, er hatte sie zum Tode verdammt, und sie, von Entsetzen ergriff en, von Gewissensbissen überwältigt, niedergeschmettert unter der Schande, mit der er sie mit der Beredsamkeit seiner makellosen Tugend überhäuft hatte, sie, die arme, schwache, gegen eine abso-lute und höchste Gewalt wehrlose Frau, bereitete sich vielleicht in diesem selben Augenblick vor zu sterben!
    Eine Stunde war schon seit ihrer Verurteilung verfl ossen; ohne Zweifel ließ sie in diesem Augenblick alle ihre Verbrechen an ihrem Geist vorüberziehen, bat Gott um Gnade und schrieb einen Brief an ihren tugendhaften Gatten, um ihn kniefällig um Verzeihung zu bitten, um eine Verzeihung, die sie mit dem Tod erkaufte.
    Villefort stieß zum zweitenmal ein Brüllen des Schmerzes und der Wut aus. »Oh«, rief er, indem er sich auf dem Atlas seines Wagens wälzte, »diese Frau ist nur zur Verbrecherin geworden, weil sie mich berührt hat! Ich schwitze Verbrechen aus, und sie ist angesteckt, wie man vom Typhus angesteckt wird … Und ich bestrafte sie! Ich habe gewagt, ihr zu sagen: Bereue und stirb … ich! Oh, nein, nein! Sie soll leben … sie soll mir folgen … Wir wollen fl iehen, Frankreich verlassen, fl iehen, so weit die Erde uns tragen kann. Ich habe ihr vom Schafott gesprochen …! Großer Gott! Wie habe ich es gewagt, dieses Wort auszusprechen! Mich selbst erwartet ja auch das Schafott …! Wir wollen fl iehen … Ja, ich werde ihr alles gestehen; alle Tage werde ich, mich demütigend, ihr sagen, daß auch ich ein Verbrechen begangen habe … Oh, ein Bund des Tigers und der Schlange! O würdige Frau eines Gatten wie ich …! Sie muß leben, meine Schande muß ihre erblassen machen!«
    Villefort riß das Fenster auf. »Schneller, schneller!« rief er mit einer Stimme, daß der Kutscher auf dem Bock zusammenfuhr.
    Die geängstigten Pferde stürmten dahin.
    Ja, ja, wiederholte sich Villefort, ja, sie muß leben, muß bereuen und meinen Sohn erziehen, mein armes Kind, den einzigen, der mit dem zähen Greis aus der Vernichtung meiner Familie übriggeblie-ben ist. Sie liebte ihn, für ihn hat sie alles getan. Man muß nie an dem Herzen einer Mutter verzweifeln, die

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