Der Graf von Monte Christo 2
beteiligt.«
»Ja, ich höre manchmal solche Dinge fl üstern, die mir sonderbar scheinen: der Großvater Bonapartist, der Vater Royalist! Ich wandte mich also ihm zu, und er zeigte mir mit den Augen die Zeitung.
›Was hast du, Großpapa?‹ fragte ich. ›Bist du zufrieden?‹
Er nickte.
›Über das, was mein Vater gesagt hat?‹ fragte ich.
Er machte ein verneinendes Zeichen.
›Über das, was Herr Danglars gesagt hat?‹
Wieder ein verneinendes Zeichen.
›Dann also darüber, daß Herr Morrel zum Offi zier der Ehrenlegion ernannt worden ist?‹ Er bejahte.
Können Sie es glauben, Maximilian? Er freute sich über Ihre Ernennung, obgleich er Sie nicht kennt. Das ist vielleicht eine Wahnidee von ihm, denn es heißt, daß er kindisch wird; aber ich bin ihm deshalb sehr gut. –
Pst!« machte Valentine plötzlich. »Verstecken Sie sich, es kommt jemand!«
Maximilian ergriff schnell einen Spaten und begann erbarmungs-los die Luzerne umzugraben.
»Gnädiges Fräulein! Gnädiges Fräulein!« rief eine Stimme hinter den Bäumen. »Frau von Villefort sucht Sie überall, es ist ein Besuch im Salon.«
»Ein Besuch!« sagte Valentine aufgeregt. »Wer ist es denn?«
»Ein vornehmer Herr, ein Fürst, wie es heißt, der Graf von Monte Christo.«
»Ich komme schon«, sagte Valentine laut.
Bei diesem Namen fuhr der junge Mann an der andern Seite des Gitters zusammen, für den das »Ich komme schon« Valentines jedesmal das Lebewohl war.
Sonderbar, dachte Maximilian, indem er sich nachdenklich auf seinen Spaten stützte, woher kennt der Graf von Monte Christo den Herrn von Villefort?
D L G
Es war in der Tat der Graf von Monte Christo, der bei Frau von Villefort eingetreten war, um den Besuch des Staatsanwalts zu erwidern.
Frau von Villefort, die allein im Salon war, als der Graf angemeldet wurde, ließ sofort ihren Sohn holen, damit er sich nochmals beim Grafen bedanke, und Eduard, der seit zwei Tagen unaufhörlich von der großen Persönlichkeit hatte sprechen hören, beeilte sich herbeizukommen, nicht aus Gehorsam gegen seine Mutter oder um dem Grafen zu danken, sondern aus Neugier und um Gelegenheit zu haben, eine seiner Redensarten anzubringen, zu denen seine Mutter sagte: »Oh, der Schlingel, aber ich muß ihm verzeihen, er hat soviel Geist!«
Nach Austausch der ersten Höfl ichkeiten erkundigte sich der Graf nach Herrn von Villefort.
»Mein Mann diniert beim Kanzler«, antwortete die junge Frau;
»er ist eben fortgegangen und wird es sicherlich bedauern, daß er nicht das Glück gehabt hat, Sie zu sehen.«
Zwei Besucher, die vor dem Grafen gekommen waren und ihn mit den Augen verschlangen, verabschiedeten sich, nachdem sie ihre Neugier befriedigt hatten.
»Was macht denn deine Schwester Valentine?« sagte Frau von Villefort zu Eduard. »Sage, daß man sie ruft, damit ich die Ehre habe, sie dem Grafen vorzustellen.«
»Sie haben eine Tochter, gnädige Frau?« fragte der Graf. »Das muß doch wohl ein Kind sein?«
»Es ist die Tochter des Herrn von Villefort«, entgegnete die junge Frau; »ein Kind aus erster Ehe, ein erwachsenes schönes Mädchen.«
»Aber sie ist immer traurig«, fi el der junge Eduard ein, indem er einem prächtigen Papagei trotz seiner Schmerzensschreie die Schwanzfedern ausriß, um sich daraus einen Federbusch für seinen Hut zu machen.
Frau von Villefort begnügte sich damit zu sagen: »Schweig, Eduard!« Dann fügte sie hinzu: »Dieser kleine Unart hat fast recht und wiederholt das, was er mich schon oft mit Schmerz hat sagen hören; denn Fräulein von Villefort ist trotz allem, was wir tun können, um sie zu zerstreuen, immer traurig und schweigsam, was ihrer Schönheit schadet. Aber sieh doch nach, weshalb sie nicht kommt, Eduard.«
»Weil sie gesucht wird, wo sie nicht ist.«
»Wo wird sie denn gesucht?«
»Bei Großpapa Noirtier.«
»Und da ist sie nicht, glaubst du?«
»Nein, nein, nein, da ist sie nicht«, antwortete Eduard trällernd.
»Wo ist sie denn? Wenn du es weißt, so sag es.«
»Sie ist unter der großen Kastanie«, fuhr der ungezogene Knabe fort, indem er trotz der Zurufe seiner Mutter dem Papagei lebende Fliegen gab, die dem Tier vorzüglich zu schmecken schienen.
Frau von Villefort streckte die Hand nach der Glocke aus, als Valentine bereits eintrat. Das junge Mädchen schien in der Tat traurig zu sein; man hätte bei aufmerksamer Betrachtung sogar Tränenspuren in ihren Augen sehen
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