Der Graf von Monte Christo 2
Zeitungen aber nicht veranlaßt.
Albert, der seinen Vater stets für einen Ehrenmann gehalten hatte, war von den Ereignissen wie von einem Donnerschlag getroff en; aber er wollte wenigstens von denen Genugtuung haben, die daran schuld waren, daß diese Dinge in die Öff entlichkeit gezerrt wurden. Umstände, denen er bis dahin keine Beachtung geschenkt hatte, wurden in seiner Erinnerung wieder lebendig. Monte Christo hatte alles gewußt, da er die Tochter Ali Paschas gekauft hatte, und er hatte Danglars den Rat gegeben, nach Janina zu schreiben. Monte Christo hatte seinem Wunsche, Haidee vorgestellt zu werden, nach-gegeben, hatte die Unterhaltung auf den Tod Ali Paschas gebracht und das junge Mädchen veranlaßt, dessen Geschichte zu erzählen.
Der Graf hatte einige Worte griechisch gesprochen; jedenfalls hatte er ihr gesagt, daß sie den Namen des französischen Offi ziers nicht nennen solle, wie er auch ihn selbst gebeten hatte, den Namen seines Vaters in Gegenwart des jungen Mädchens nicht zu nennen.
Endlich hatte er Albert in die Normandie mitgenommen in dem Augenblick, da er wußte, daß der Schlag gegen seinen Vater geführt werden sollte. Es war nicht daran zu zweifeln, alles war Berechnung, und Monte Christo stand jedenfalls im Einvernehmen mit den Feinden seines Vaters.
Albert war mit seinem Freund Beauchamp vor dem Haus Avenue des Champs-Elysées Nr. vorgefahren. Der Graf von Monte Christo war nach Paris zurückgekehrt, befand sich aber im Bad und hatte Baptistin verboten, irgend jemand, es sei, wer es wolle, vorzulassen.
»Aber nach dem Bade?« fragte Albert.
»Wird der gnädige Herr dinieren.«
»Und nach dem Diner?«
»Wird der gnädige Herr eine Stunde schlafen.«
»Und dann?«
»Dann wird er in die Oper gehen.«
»Wissen Sie das gewiß?« fragte Albert.
»Ganz gewiß; der Herr Graf hat seinen Wagen auf Punkt acht Uhr bestellt.«
»Gut«, erwiderte Albert, »weiter wollte ich nichts wissen.« Dann wandte er sich an Beauchamp: »Wenn Sie etwas zu tun haben, tun Sie es sofort; haben Sie für heute abend etwas verabredet, so ver-schieben Sie es auf morgen. Sie verstehen, ich rechne darauf, daß Sie mit mir zur Oper gehen. Wenn Sie können, bringen Sie Château-Renaud mit.«
Beauchamp versprach Albert, ihn um ein Viertel vor acht Uhr abzuholen. Als Albert wieder nach Hause zurückgekehrt war, schrieb er an Château-Renaud, Debray und Morrel und teilte ihnen den Wunsch mit, sie heute in der Oper zu treff en. Dann suchte er seine Mutter auf, die seit den Ereignissen des vorhergehenden Tages für niemand zu sprechen war; sie lag zu Bett, gebrochen von dem Schmerz über diese öff entliche Demütigung. Sie drückte ihrem Sohn die Hand und brach in Schluchzen aus.
Albert blieb einen Augenblick mit bleichem Gesicht und zusam-mengezogenen Brauen stumm vor seiner Mutter stehen.
»Mutter«, sagte er, »kennen Sie irgendeinen Feind des Herrn von Morcerf?«
Mercedes fuhr zusammen; sie hatte bemerkt, daß der junge Mann nicht gesagt hatte: meines Vaters.
»Mein Sohn«, sagte sie, »Leute in der Stellung des Grafen haben viele Feinde, die sie nicht kennen. Übrigens weißt du ganz gut, daß die Feinde, die man kennt, nicht die gefährlichsten sind.«
»Ja, das weiß ich, und deshalb bitte ich Sie, Ihren ganzen Scharf-sinn anzuwenden. Sie sind eine so kluge Frau, daß Ihnen nichts entgeht.«
»Warum sagst du mir das?«
»Weil Sie zum Beispiel bemerkt haben, daß der Graf von Monte Christo auf unserm Ball nichts hat genießen wollen.«
Mercedes setzte sich in größter Erregung auf.
»Der Graf von Monte Christo!« rief sie. »Und in welcher Beziehung steht das zu deiner Frage?«
»Sie wissen, Mutter, der Graf von Monte Christo ist fast ein Orientale, und die Orientalen genießen nie etwas bei ihren Feinden, um sich volle Freiheit für ihre Rache zu bewahren.«
»Der Graf von Monte Christo unser Feind, sagst du, Albert?«
fragte Mercedes, indem sie weißer wurde als ein Laken. »Wer hat dir das gesagt? Warum? Du bist wahnsinnig, Albert. Der Graf von Monte Christo ist sehr zuvorkommend gegen uns; er hat dir das Leben gerettet; du selbst hast ihn uns vorgestellt. Oh, ich bitte dich, mein Sohn, wenn du solch einen Gedanken hättest, so weise ihn von dir, und wenn ich dir einen Rat geben, ja, ich will noch mehr sagen, wenn ich eine Bitte an dich richten darf, so stelle dich gut mit ihm.«
»Liebe Mutter«, entgegnete der junge Mann mit einem fi nstern Blick, »Sie haben Ihren Grund dafür,
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