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Der Graf von Monte Christo

Der Graf von Monte Christo

Titel: Der Graf von Monte Christo Kostenlos Bücher Online Lesen
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Feste.
    Albert triumphierte in seiner Bajazzotracht. Er trug auf der Schulter einen Knoten von rosa Bändern, deren Enden ihm bis zu den Knien herabfielen, um keine Verwechslung zwischen ihm und Franz herbeizuführen, der seinerseits in der Tracht eines römischen Bauern steckte.
    Je mehr der Tag vorrückte, desto größer wurden Lärm und Gedränge; es war in der Tat ein menschliches Ungewitter, das sich aus einem Donner schreiender Stimmen und einem Hagel von Dragées, Sträußen, Eiern, Orangen und Blumen zusammensetzte. Um drei Uhr verkündigten Böllerschüsse, die zu gleicher Zeit auf der Piazza del popolo und im venetianischen Palaste gelöst wurden, daß das Wettrennen beginne.
    Das Wettrennen ist, wie die Moccoli, eine besondere Eigenheit der letzten Tage des Karnevals. Bei dem Krachen der Böller brachen die Wagen sofort aus ihren Reihen und flüchteten sich in die nächste Querstraße. Alle diese Szenenwechsel vollziehen sich übrigens mit unbegreiflicher Geschicklichkeit und wunderbarer Geschwindigkeit, und zwar ohne daß die Polizei nur im geringsten nötig gehabt hätte, jedem seinen Posten anzuweisen oder seinen Weg vorzuschreiben. Die Fußgänger drückten sich an die Paläste, dann hörte man ein gewaltiges Geräusch von Pferden und Säbelrasseln.
    Eine fünfzehn Mann starke Abteilung von Carabinieri sprengte im Galopp durch die Straße des Korso, um den Wettrennern Platz zu machen. Als diese Abteilung zum venetianischen Palaste gelangte, verkündigte eine zweite Batterie von Böllern, daß die Straße frei sei.
    Beinahe im selben Augenblick sah man unter allgemeinem, unerhörtem Geschrei sieben bis acht Reiter, vom Zuruf von dreimal hunderttausend Personen angestachelt, vorüberjagen; dann verkündigten drei Kanonenschüsse vom Kastell St. Angelo, daß Nummer 3 gewonnen habe.
    Sogleich setzten sich die Wagen wieder in Bewegung, strömten gegen den Korso zurück und mündeten aus allen Straßen aus. Nun hatte sich ein neues Element des Lärmens und der Bewegung in die Menge gemischt: die Moccolihändler traten in Szene.
    Die Moccoli oder Moccoletti sind Kerzen von verschiedener Dicke, die bei den Schauspielern dieser Schlußszene des römischen Karnevals zweierlei Tätigkeiten auslösen: erstens, das eigene Moccoletto brennend zu erhalten, zweitens, das anderer auszulöschen.
    Das Moccoletto wird an irgend einem Lichte angezündet. Wer aber vermöchte die tausend Mittel zu beschreiben, die erfunden worden sind, um das Moccoletto auszulöschen ... die Riesenohrfeigen, die ungeheuren Löschhörner, die übermenschlichen Windfächer? Alle beeilten sich, Moccoletti zu kaufen, Franz und Albert so gut wie die andern.
    Die Nacht rückte rasch heran, und bereits begannen bei dem tausendfachen schrillen Rufe der Händlern » Moccoli!« einige Sterne über der Menge zu glänzen. Es war dies wie ein Signal. Nach Verlauf von zehn Minuten funkelten fünfzigtausend Lichter von dem venetianischen Palaste nach der Piazza del popolo herab, und von der Piazza del popolo nach dem venetianischen Palaste hinauf. Man hätte glauben sollen, es sei das Fest der Irrlichter; denn man kann sich in der Tat von diesem Anblick, wenn man nicht einmal Augenzeuge davon gewesen ist, keinen Begriff machen.
    In diesem Augenblick besonders gibt es keinen gesellschaftlichen Unterschied mehr. Der Facchino hängt sich an den Prinzen, der Prinz an den Trasteveriner, der Trasteveriner an den Bürger ... Jeder bläst, löscht aus, zündet wieder an. Das tolle Lichterspiel dauerte ungefähr zwei Stunden; der Korso war erleuchtet wie am hellen Tage, man konnte die Züge der Zuschauer im dritten und vierten Stocke unterscheiden.
    Plötzlich erscholl die Glocke, die das Signal zum Schlusse des Karnevals gibt, und in einer Sekunde erloschen wie durch einen Zauber alle Moccoli. Es war, als ob ein einziger, ungeheurer Windstoß alles vernichtet hätte. Franz, den Albert mit der Bemerkung, er gehe zu einem Stelldichein, verlassen hatte, befand sich in der tiefsten Finsternis. Man hörte jetzt nur noch das Rollen der Wagen, die die Masken nach Hause führten, und sah nur spärliche Lichter hinter den Fenstern glänzen.
    Der Karneval war zu Ende.

Die Katakomben von San Sebastiano.
     
    Franz hatte vielleicht in seinem Leben keinen so scharfen, schneidenden Eindruck, keinen so raschen Übergang von der Heiterkeit zur Traurigkeit erfahren, als in diesem Augenblick; es war, als hätte sich Rom unter dem magischen Hauche eines Dämons der Nacht in ein

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