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Der Graf von Monte Christo

Der Graf von Monte Christo

Titel: Der Graf von Monte Christo Kostenlos Bücher Online Lesen
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Taffethose über seine schwarzen Beinkleider und seine Lackstiefel.
    Nun, Albert, fragte Franz, sind Sie wirklich im Zuge, Karnevalstollheiten zu begehen? Sprechen Sie offenherzig.
    Nein, aber es ist mir lieb, daß ich eine solche Szene gesehen habe, und ich begreife nun, was der Herr Graf sagte. Hat man sich einmal an ein solches Schauspiel gewöhnen können, so ist es das einzige, das noch Aufregung gewährt.
    Abgesehen davon, daß man in diesem Augenblick allein Charakterstudien machen kann, sagte der Graf. Auf der ersten Stufe des Schafotts reißt der Tod die Larve ab, die man das ganze Leben hindurch getragen hat, und das wahre Gesicht erscheint. Man muß gestehen, Andreas war nicht schön anzuschauen ... der häßliche Schuft! ... Kleiden wir uns an, meine Herren! Ich fühle das Bedürfnis, Pappenmasken zu sehen, um mich über die Fleischmasken zu trösten.
    Franz schämte sich, dem Beispiel der beiden andern nicht zu folgen. Er legte daher ebenfalls sein Kostüm an und nahm seine Maske, die sicher nicht bleicher war als er. Als alle drei mit der Toilette fertig waren, gingen sie hinunter. Der Wagen wartete vor der Tür, voll von Confetti und Sträußen. Man schloß sich der Reihe an.
    Es läßt sich kaum ein vollständigerer Gegensatz denken, als der, welcher sich jetzt vollzogen hatte. Statt der düsteren, schweigsamen Todesszene bot die Piazza del popolo den Anblick einer tollen, brausenden Orgie. Eine Menge von Masken drängte von allen Seiten hervor, strömte aus allen Türen, stieg von allen Fenstern herab; mit Pierrots, Harlekins, Dominos, Marquis, mit Trasteverinern, Grotesken, Kavalieren und Bauern beladen, quollen die Wagen aus allen Straßenecken hervor, und alles schrie, gestikulierte, schleuderte Eier voll Mehl, Confetti, Sträuße, griff mit Worten und Geschossen Freunde und Fremde, Bekannte und Unbekannte an, ohne daß jemand das Recht hatte, sich darüber zu ärgern, ohne daß auch nur einer etwas anderes tat, als lachen.
    Franz und Albert waren wie Menschen, die man, um sie von einem heftigen Kummer zu zerstreuen, zu einer Orgie führt, und die, je mehr sie trinken und sich berauschen, fühlen, wie sich ein immer dichterer Schleier zwischen die Vergangenheit und die Gegenwart zieht. Sie sahen immer noch den Wiederschein dessen, was sie geschaut hatten. Aber allmählich erfaßte sie doch die allgemeine Trunkenheit; es kam ihnen vor, als sei ihre schwankende Vernunft im Begriff, sie zu verlassen, sie verspürten in sich das Bedürfnis, an diesem Geräusch, an dieser Bewegung, an diesem Schwindel teilzunehmen. Eine Handvoll Confetti (etwa erbsengroße Wurfkügelchen aus Gips), die Morcerf von einem benachbarten Wagen zuflog, prickelte ihn am Halse und an allen Teilen seines Gesichts, die nicht durch die Maske geschützt waren, als hätte man ihm hundert Nadeln zugeworfen, und dies zog ihn vollends in den allgemeinen Kampf hinein, in den bereits alle Masken verwickelt waren. Er erhob sich nun auch in seinem Wagen, schöpfte mit vollen Händen aus den Taschen und schleuderte mit aller ihm zu Gebote stehenden Kraft und Geschicklichkeit seine Geschosse gegen seine Nachbarn. Von nun an nahm der Kampf ununterbrochen seinen Fortgang. Die Erinnerung an das, was sie eine halbe Stunde zuvor gesehen, verwischte sich bei Franz und Albert völlig, so viel Abwechslung bot ihnen das buntscheckige, bewegliche, tolle Schauspiel, das sie vor sich hatten. Auf den Grafen von Monte Christo dagegen schien nichts einen besonderen Eindruck hervorbringen zu können.
    Man denke sich die große, schöne Straße des Korso, von einem Ende zum andern mit Palästen von vier bis fünf Stockwerken eingefaßt, deren Balkone insgesamt mit Teppichen verziert, deren Fenster alle reich drapiert sind, auf diesen Balkonen und an diesen Fenstern dreimal hunderttausend Zuschauer, Römer, Italiener, Fremde aus allen Weltteilen; alles Vornehme vereinigt: Aristokraten der Geburt, des Geldes und des Genies; reizende Frauen, die, von diesem Schauspiel hingerissen, sich über die Balkone herabneigen, aus den Fenstern sich beugen und auf die vorüberfahrenden Wagen einen Hagel von Confetti regnen lassen, auf den man ihnen mit Sträußen erwidert, bis die Luft ganz voll ist von herabfliegenden Dragées (Zuckerwerk) und hinaufsteigenden Blumen. Dazu auf der Straße eine freudige, rastlose, tolle Menge in den phantastischen Trachten und Gestalten: wandernde Kohlköpfe, Büffelköpfe, auf menschlichen Leibern brüllend, Hunde, die auf den

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