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Der Graf von Monte Christo

Der Graf von Monte Christo

Titel: Der Graf von Monte Christo Kostenlos Bücher Online Lesen
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genau getroffen, Lucien, rief Morcerf, das Signalement paßt Zug für Zug. Ja, spitzige, einschneidende Höflichkeit. Er hat mich oft schaudern lassen, so eines Tages, als wir gemeinschaftlich einer Hinrichtung beiwohnten und ich ihn kalt über alle Arten von Hinrichtungen sprechen hörte.
    Hat er Sie nicht auch in die Ruinen des Kolosseums geführt, um Ihnen das Blut auszusaugen, Morcerf? fragte Beauchamp.
    Spotten Sie, solange Sie wollen, meine Herren, versetzte Morcerf etwas gereizt. Wenn ich Sie anschaue, Sie, den schönen Pariser, und mir daneben diesen Mann vorstelle, so kommt es mir vor, als wären wir nicht von demselben Geschlechte.
    Jedenfalls, sagte Chateau-Renaud, ist Ihr Graf in seinen verlorenen Augenblicken ein artiger Mann, abgesehen von seinem Verkehr mit den italienischen Banditen.
    Es gibt keine italienischen Banditen! sagte Debray.
    Keine Vampire! fügte Beauchamp hinzu.
    Keinen Grafen von Monte Christo, sagte Debray. Hören Sie, Albert, es schlägt halb elf Uhr. Gestehen Sie, daß Sie der Alp gedrückt hat, und lassen Sie uns frühstücken!
    Doch die Pendeluhr hatte vom Schlage noch nicht zu schwingen aufgehört, als die Tür sich öffnete; Germain trat ein und meldete: Der Graf von Monte Christo.
    Alle Zuhörer fuhren in die Höhe, so sehr hatte sie Morcerfs Erzählung erregt; Albert selbst konnte sich einer ungestümen Bewegung nicht erwehren. Man hatte weder einen Wagen auf der Straße noch Tritte im Vorzimmer gehört; selbst die Tür hatte sich geräuschlos geöffnet.
     

     
    Der Graf erschien auf der Schwelle mit der größten Einfachheit gekleidet, aber auch der anspruchsvollste Gesellschaftslöwe hätte an seiner Toilette nichts zu tadeln gefunden. Alles war vom feinsten Geschmack und aufs eleganteste gearbeitet.
    Er schien kaum fünfunddreißig Jahre alt zu sein, und allen Anwesenden fiel beim ersten Blick die große Ähnlichkeit mit dem von Debray entworfenen Porträt auf.
    Der Graf trat lächelnd mitten in den Saal und ging auf Albert zu, der ihm mit zuvorkommendem Eifer die Hand reichte.
    Die Pünktlichkeit, sagte Monte Christo, ist die Höflichkeit der Könige, wie einer Ihrer Fürsten behauptet hat; doch sie ist nicht immer die der Reisenden, trotz ihrem besten Willen. Ich hoffe indessen, mein lieber Vicomte, Sie werden zu gunsten meines guten Willens die paar Sekunden entschuldigen, die ich zu spät erscheine. Fünfhundert Meilen macht man nicht, ohne auf Hindernisse zu stoßen, besonders in Frankreich, wo es, wie mir scheint, verboten ist, die Postillone durchzuprügeln.
    Herr Graf, erwiderte Albert, ich war eben damit beschäftigt, Ihren Besuch einigen meiner Freunde anzukündigen, die ich aus Veranlassung Ihrer Zusage eingeladen und nun Ihnen vorzustellen die Ehre habe. Es sind dies der Herr Graf von Chateau-Renaud, dessen Adel bis zu den zwölf Pairs hinaufsteigt, und dessen Ahnen an der Tafelrunde gesessen haben; Herr Lucien Debray, Privatsekretär des Ministers des Innern, Herr Beauchamp, ein furchtbarer Journalist, der Schrecken der französischen Regierung, von dem Sie jedoch vielleicht trotz seiner nationalen Berühmtheit in Italien niemals etwas gehört haben, weil seine Zeitung wegen ihrer freien Haltung in Italien nicht zugelassen wird, ferner Herr Maximilian Morel, Kapitän bei den Spahis.
    Bei diesem Namen machte der Graf, der bis dahin höflich, aber mit echt englischer Kälte und Unempfindlichkeit gegrüßt hatte, einen Schritt vorwärts, und ein leichter rötlicher Ton zog wie ein Blitz über seine bleichen Wangen hin.
    Der Herr trägt die Uniform der neuen französischen Sieger? sagte er; es ist eine schöne Uniform.
    Man hätte schwer sagen können, was die Stimme des Grafen so tief ertönen ließ, was den unwillkürlichen Glanz in sein Auge lockte, das so schön, so ruhig, so durchsichtig war, wenn er nicht irgend einen Grund hatte, es zu verschleiern.
    Sie haben unsre Afrikaner nie gesehen? sagte Albert.
    Nie, erwiderte der Graf, der nun wieder vollkommen seiner Herr geworden war.
    Wohl, unter dieser Uniform schlägt eins der bravsten und edelsten Herzen des Heeres.
    Oh! Herr Vicomte ... unterbrach ihn Morel.
    Lassen Sie mich sprechen, Kapitän. Wir haben soeben von diesem Herrn einen so edelmütigen Zug erfahren, fuhr Albert fort, daß ich mir, obgleich ich ihn heute zum erstenmal sehe, die Gunst erbitte, ihn als meinen Freund vorstellen zu dürfen.
    Bei diesen Worten konnte man beim Grafen abermals den seltsamen Blick und das leichte Zittern des Augenlides

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