Der Graf von Monte Christo
erwiderte die junge Frau; eine Tochter aus erster Ehe, eine hübsche, große Person.
Aber schwermütig, unterbrach sie Eduard.
Dieser junge Naseweis hat ziemlich recht und wiederholt nur, was er mich sehr oft mit Kummer hat sagen hören; denn Fräulein von Villefort ist, trotz allem, was wir zu ihrer Zerstreuung tun, von einem traurigen Charakter und von einer Schweigsamkeit, die häufig der Wirkung ihrer Schönheit Eintrag tut. In diesem Augenblick trat Valentine ein. Sie schien in der Tat traurig zu sein, und bei aufmerksamer Betrachtung hätte man in ihren Augen Spuren von Tränen wahrnehmen können.
Valentine war groß, schlank, achtzehn Jahre alt, hatte hell kastanienbraune Haare, dunkelblaue Augen und zeichnete sich durch den würdevollen Gang und durch die Haltung aus, die auch ihrer Mutter eigen gewesen war. Ihre weißen, zarten Hände, ihr Perlmutterhals, ihre rosig gefärbten Wangen verliehen ihr beim ersten Anblick das Aussehen einer von den schönen Engländerinnen, die man so poetisch mit Schwänen verglichen hat, welche sich auf der Fläche des Wassers spiegeln.
Sie trat also ein und grüßte, als sie bei ihrer Mutter den Fremden erblickte, von dem sie so viel hatte sprechen hören, ohne mädchenhafte Ziererei und ohne die Augen niederzuschlagen, mit einer Anmut, welche die Aufmerksamkeit des Grafen verdoppelte.
Fräulein von Villefort, meine Stieftochter, stellte Frau von Villefort vor.
Und der Herr Graf von Monte Christo, König von China, Kaiser von Cochinchina, rief der Knabe, seiner Schwester einen versteckten Blick zuwerfend.
Diesmal erbleichte Frau von Villefort und war nahe daran, auf diese häusliche Geißel wirklich ärgerlich zu werden. Doch der Graf lächelte im Gegenteil und schien das Kind mit Wohlgefallen zu betrachten, was die Freude und Begeisterung seiner Mutter auf den höchsten Grad steigerte.
Aber, gnädige Frau, sagte der Graf, das Gespräch wieder anknüpfend und abwechselnd Frau von Villefort und Valentine anschauend, habe ich nicht bereits die Ehre gehabt, Sie irgendwo zu sehen, Sie und das Fräulein? Ich dachte soeben daran, und als das Fräulein eintrat, warf sein Anblick einen neuen Schimmer auf eine verworrene Erinnerung ... verzeihen Sie mir diesen Ausdruck.
Es ist nicht sehr wahrscheinlich, Fräulein von Villefort liebt die Gesellschaft nur wenig, und wir gehen selten aus, sagte die junge Frau.
Auch habe ich das Fräulein, sowie Sie, gnädige Frau, und diesen reizenden Jungen nicht in der Gesellschaft gesehen. Die Pariser Gesellschaft ist mir übrigens völlig unbekannt, denn ich habe, wie ich glaube, bereits die Ehre gehabt, Ihnen zu bemerken, daß ich erst seit ein paar Tagen in Paris bin. Nein, wenn Sie mir erlauben, einen Augenblick nachzudenken ... Warten Sie ...
Der Graf legte seine Hand an seine Stirn, als wollte er seine Erinnerungen zusammendrängen: Nein, es ist außerhalb ... es ist ... ich weiß nicht ... aber es scheint mir, diese Erinnerung ist unzertrennlich von einer schönen Sonne und einem religiösen Feste ... Das Fräulein hielt Blumen in der Hand; das Kind lief im Garten einem prächtigen Pfau nach, und Sie, gnädige Frau, saßen unter einer Weinlaube. Helfen Sie mir doch, gnädige Frau! Erinnern Sie sich an nichts?
In der Tat, nein, erwiderte Frau von Villefort.
Der Herr Graf hat uns vielleicht in Italien gesehen, bemerkte Valentine schüchtern.
In der Tat, in Italien ... das ist möglich, sagte Monte Christo. Sie haben Italien bereist, mein Fräulein?
Frau von Villefort und ich waren vor zwei Jahren dort. Die Ärzte fürchteten für meine Brust und empfahlen mir die Luft in Neapel. Wir reisten nach Bologna, Perugia und Rom.
Ah! so ist es, mein Fräulein, rief Monte Christo, als genüge diese einfache Andeutung, um seine Erinnerungen festzustellen. Es war in Perugia am Tage des Fronleichnamsfestes, im Garten des Gasthauses zur Post, wo der Zufall uns zusammenführte, und wo ich, wie ich mich nun entsinne, Sie zu sehen die Ehre gehabt habe.
Ich erinnere mich der Stadt Perugia vollkommen, mein Herr, und ebenso des Gasthauses zur Post und des Festes, von dem Sie sprechen, sagte Fran von Villefort; aber ich entsinne mich ganz und gar nicht, die Ehre gehabt zu haben, Sie dort zu sehen.
Ich will Ihnen helfen, versetzte der Graf. Der Tag war glühend heiß; Sie erwarteten Pferde, die wegen der Feierlichkeit nicht kamen. Das Fräulein ging in den Garten, und Ihr Sohn lief einem Vogel nach. Sie, gnädige Frau, verweilten unter der Weinlaube;
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