Der Graf von Monte Christo
Danglars, sagen Sie mir, ob Sie je an dem Hofe von Ali Pascha Tependelini, dem Sie so glorreich dienten, eine so herrliche Tracht gesehen haben, wie die, welche wir hier vor Augen haben?
Ah! Sie haben in Janina gedient, Herr Graf?
Ich war Generalinstruktor der Truppen des Paschas, antwortete Morcerf, und ich mache kein Geheimnis daraus, daß mein geringes Vermögen von der Freigebigkeit dieses erhabenen albanesischen Heerführers herrührt.
Sehen Sie nur! sagte Frau Danglars.
Wo denn? stammelte Morcerf.
Dort! sagte Monte Christo.
Und den Grafen mit seinem Arme umfassend, neigte er sich mit ihm zur Loge hinaus.
In diesem Augenblicke gewahrte Haydee, die den Grafen mit den Augen suchte, seinen bleichen Kopf neben dem Morcerfs, den er umfaßt hielt.
Dieser Anblick brachte auf die Griechin die Wirkung eines Medusenhauptes hervor; sie machte eine Bewegung vorwärts, als wollte sie beide mit den Augen verschlingen; dann warf sie sich fast in derselben Sekunde wieder zurück und stieß einen schwachen Schrei aus, der jedoch von den Personen, die ihr zunächst waren, und von Ali gehört wurde, der sogleich die Tür öffnete.
Was ist denn Ihrem Mündel begegnet, Herr Graf? fragte Eugenie, man sollte glauben, sie sei unwohl.
In der Tat, es scheint so zu sein, sagte der Graf, doch erschrecken Sie nicht darüber. Haydee ist sehr nervös und daher sehr empfindlich gegen Gerüche; ein Geruch, der ihr zuwider ist, kann ihr eine Ohnmacht zuziehen; aber ich habe hier ein Gegenmittel, sagte der Graf, ein Fläschchen aus der Tasche ziehend.
Nachdem er die Baronin und ihre Tochter mit einer einzigen Verbeugung gegrüßt und einen letzten Händedruck mit dem Grafen und mit Debray ausgetauscht hatte, verließ er die Loge.
Als er in die seinige zurückkehrte, war Haydee noch sehr bleich; sobald er erschien, nahm sie ihn bei der Hand.
Monte Christo bemerkte, daß die Hände des Mädchens zugleich feucht und eisig kalt waren.
Mit wem sprachst du denn, Herr? fragte das Mädchen.
Mit dem Grafen von Morcerf, der im Dienste deines erhabenen Vaters stand und, wie er selbst bekennt, ihm sein Vermögen zu verdanken hat.
Ha, der Elende! rief Haydee, er ist es, der ihn an die Türken verkauft hat, und dieses Vermögen ist nur der Preis seines Verrates. Wußtest du das nicht, lieber Herr?
Ich habe wohl so etwas in Epirus gehört, sagte Monte Christo, aber ich kenne die einzelnen Umstände nicht. Komm, meine Tochter, du wirst sie mir erzählen, sie müssen sehr seltsamer Art sein.
Oh ja, komm, komm! Es ist mir, als müßte ich umkommen, wenn ich diesem Menschen länger gegenüber bleibe.
Und Haydee stand rasch auf, hüllte sich in ihren mit Perlen und Korallen geschmückten Burnus von weißem Kaschmir und verließ die Loge in dem Augenblick. wo der Vorhang aufgezogen wurde.
Sehen Sie, ob dieser Mensch auch nur irgend etwas tut, wie ein anderer! sagte die Gräfin zu Albert, der sich in ihre Loge begeben hatte. Er hört ganz andächtig den dritten Akt an und geht in der Minute, wo der vierte beginnen soll, fort.
Steigen und Fallen.
Einige Tage nach diesem Zusammentreffen machte Albert von Morcerf dem Grafen von Monte Christo einen Besuch in seinem Hause in den Champs-Elyées, das bereits das Aussehen eines Palastes gewonnen hatte. Er gab aufs neue dem Dank der Frau Danglars Ausdruck, den sie dem Grafen schon vorher in einem Brief mit der Unterschrift Baronin Danglars, geborene Hermine von Servieux, abgestattet hatte.
In Alberts Begleitung war Lucien Debray, der den Worten seines Freundes einige Komplimente hinzufügte, über deren Quelle jedoch der Graf bei seinem Scharfblicke sich nicht täuschen ließ. Er konnte in der Tat, ohne einen Irrtum befürchten zu müssen, voraussetzen, daß Frau Danglars, da sie sich außer stande fühlte, mit eigenen Augen in die Geheimnisse eines Mannes zu dringen, der Pferde für dreißigtausend Franken verschenkte und in die Oper mit einer Sklavin ging, die für eine Million Diamanten trug, Debray beauftragt hatte, ihr so viel wie möglich Auskunft zu verschaffen.
Aber der Graf gab sich den Anschein, als vermute er nicht im geringsten einen Zusammenhang zwischen Luciens Besuche und der Neugierde der Baronin. Sie stehen in fast ununterbrochenem Verkehr mit dem Baron Danglars? fragte er Albert von Morcerf.
Ja, Herr Graf, Sie wissen, was ich Ihnen gesagt habe.
Der Plan besteht also noch immer?
Mehr als je, es ist eine abgemachte Sache, sagte Lucien.
Und indem er meinte, mit diesem
Weitere Kostenlose Bücher