Der Graf von Monte Christo
Meinung.
Ein ironisches Lächeln umschwebte Alberts Lippen. Mercedes sah dieses Lächeln und erriet mit ihrem doppelten Instinkte der Frau und der Mutter alles; aber klug und stark, verbarg sie ihre Unruhe und ihr Beben.
Albert ließ das Gespräch fallen; nach einem Augenblick knüpfte es die Gräfin wieder an.
Du bist gekommen, um mich zu fragen, wie es mir gehe, sagte sie; ich antworte dir offen, ich fühle mich unwohl. Du solltest dich einrichten, Albert, mir Gesellschaft zu leisten, ich möchte nicht allein sein.
Meine Mutter, ich stände zu Ihren Befehlen, und Sie wissen wie gern, wenn mich nicht eine wichtige Angelegenheit zwänge, Sie heute abend zu verlassen.
Ah! gut, erwiderte Mercedes mit einem Seufzer, geh, Albert, ich will dich nicht zum Sklaven deiner kindlichen Liebe machen.
Albert stellte sich, als hörte er nicht, grüßte seine Mutter und ging.
Kaum war der junge Mann fort, als Mercedes einen vertrauten Diener rufen ließ; diesem befahl sie, Albert überall zu folgen, wohin er gehen würde, und ihr sogleich Meldung zu machen. Dann läutete sie ihrer Kammerfrau und ließ sich, so schwach sie war, ankleiden, um auf jeden Fall bereit zu sein.
Der dem Bedienten erteilte Auftrag war nicht schwer zu vollziehen. Albert kehrte in seine Wohnung zurück und kleidete sich äußerst sorglich an. Zehn Minuten vor acht Uhr kam Beauchamp.
Beide stiegen in Alberts Wagen, und dieser rief, da er keinen Grund hatte, zu verbergen, wohin er fuhr, ganz laut: In die Oper.
In seiner Ungeduld kam er vor dem Aufziehen des Vorhangs. Chateau-Renaud, von Beauchamp unterrichtet, saß auf seinem Sperrsitze. Er bemühte sich durchaus nicht, Albert abzuraten, sondern beschränkte sich darauf, dem Freunde die Versicherung zu wiederholen, er stehe zu seiner Verfügung.
Debray war noch nicht eingetroffen; doch Albert wußte, daß er selten bei einer Vorstellung der Oper ausblieb. Albert irrte bis zum Aufziehen des Vorhangs im Theater umher. Er hoffte, Monte Christo entweder im Gange oder auf der Treppe zu treffen. Dann ging er an seinen Platz und setzte sich im Orchester zwischen Chateau-Renaud und Beauchamp.
Doch seine Augen verließen Monte Christos Loge nicht, die während des ersten Aktes hartnäckig geschlossen blieb. Endlich am Anfange des zweiten Aktes, als Albert zum hundertsten Male seine Uhr befragte, öffnete sich die Tür der Loge: Monte Christo trat schwarzgekleidet ein und stützte sich auf das Geländer, um in den Saal zu schauen, dort gewahrte er einen bleichen Kopf und funkelnde Augen, die gierig seine Blicke anzuziehen schienen, und erkannte Albert. Ohne irgend eine seine Gedanken verratende Bewegung zu machen, setzte er sich, zog sein Opernglas hervor und schaute nach einer anderen Seite.
Doch während es den Anschein hatte, als bemerke er Albert nicht, verlor ihn der Graf nicht aus dem Auge, und als der Vorhang am Ende des zweiten Aktes fiel, folgte sein unfehlbarer Blick dem jungen Mann, der, begleitet von seinen Freunden, das Orchester verließ. Dann erschien derselbe Kopf wieder in einer Loge der seinigen gegenüber. Der Graf fühlte, daß der Sturm gegen ihn losbrach, und als er den Schlüssel im Schlosse seiner Loge drehen hörte, wußte er, obgleich er in diesem Augenblick lächelnd mit dem neben ihm sitzenden Morel sprach, was bevorstand, und war auf alles gefaßt.
Die Tür öffnete sich. Jetzt erst wandte sich Monte Christo um und erblickte Albert zitternd und leichenblaß. Hinter ihm standen Beauchamp und Chateau-Renaud.
Sieh da! rief er mit jener wohlwollenden Höflichkeit, die gewöhnlich seinen Gruß von den Alltagsgrüßen unterschied, mein Reiter ist am Ziele angelangt. Guten Abend, Herr von Morcerf.
Und das Gesicht dieses Mannes, der auf eine so seltsame Weise seiner Herr war, drückte die vollkommenste Herzlichkeit aus.
Nun erst erinnerte sich Morel des Briefes, den er vom Vicomte empfangen, und worin ihn dieser ohne eine andere Erklärung gebeten hatte, sich in der Oper einzufinden, und er begriff, daß etwas Furchtbares vor sich gehen sollte.
Wir kommen nicht hierher, um heuchlerische Höflichkeiten und falsche Freundschaftsbezeugungen auszutauschen, sagte der junge Mann; wir kommen, um eine Erklärung von Ihnen zu fordern, Herr Graf.
Die zitternde Stimme des jungen Mannes drang kaum durch seine geschlossenen Zähne.
Eine Erklärung in der Oper? sagte der Graf mit dem ruhigen Tone und dem durchdringenden Auge des stets seiner selbst sicheren Mannes. So wenig ich mit den Pariser
Weitere Kostenlose Bücher