Der Graf von Monte Christo
Gewohnheiten vertraut bin, so hätte ich doch nicht geglaubt, daß man hier Erklärungen zu fordern pflege.
Wenn sich jedoch die Leute verleugnen lassen, sagte Albert, unter dem Vorwande, sie seien im Bad, so muß man sich an sie wenden, wo man sie trifft.
Ich bin nicht so schwer zu treffen, denn noch gestern, wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, waren Sie bei mir.
Gestern, mein Herr, entgegnete der junge Mann, dessen Kopf in Flammen geriet, gestern befand ich mich bei Ihnen, weil ich nicht wußte, wer Sie waren.
Bei diesen Worten hatte Albert die Stimme dergestalt erhoben, daß die Inhaber der benachbarten Logen, sowie die Personen, die sich in den Gängen befanden, ihn hörten, stehen blieben und sich umsahen.
Woher kommen Sie denn, mein Herr? sagte Monte Christo, scheinbar ohne jede Erregung. Ich glaube, Sie erfreuen sich nicht Ihres ganzen Verstandes.
Wenn ich Ihre Treulosigkeit begreife, und es mir gelingt, Ihnen begreiflich zu machen, daß ich mich rächen will, werde ich noch vernünftig genug sein, versetzte Albert wütend.
Mein Herr, ich verstehe Sie nicht, erwiderte Monte Christo, und wenn ich Sie auch verstände, so würden Sie immer noch zu laut sprechen. Ich bin hier bei mir und allein berechtigt, meine Stimme über andere zu erheben. Gehen Sie, mein Herr!
Und Monte Christo wies Albert mit einer bewundernswert gebieterischen Gebärde die Tür.
Ah! ich werde es wohl dahin bringen, daß Sie hinausgehen, sagte Albert, krampfhaft seinen Handschuh zerknitternd, den der Graf nicht aus dem Gesichte verlor.
Gut, gut! erwiderte phlegmatisch Monte Christo, Sie suchen Streit mit mir, mein Herr, das sehe ich; doch eines, Vicomte, merken Sie sich: es ist eine schlechte Sitte, mit Geschrei herauszufordern, Herr von Morcerf.
Ein Gemurmel des Erstaunens durchlief bei diesem Namen wie ein Schauer die Zuhörer dieser Szene. Seit dem vorhergehenden Tage war der Name Morcerf in aller Mund.
Besser als alle und zuerst von allen begriff Albert die Anspielung und machte eine Bewegung, seinen Handschuh dem Grafen ins Gesicht zu schleudern; aber Morel faßte ihn bei der Faust, während Beauchamp und Chateau-Renaud, in der Furcht, die Szene könne die Grenzen einer Herausforderung überschreiten, ihn von hinten zurückhielten.
Monte Christo aber streckte, ohne aufzustehen und nur seinen Stuhl neigend, die Hand aus, zog aus den krampfhaft zusammengepreßten Fingern des jungen Mannes den feuchten Handschuh und sagte mit einem furchtbaren Ausdrucke: Mein Herr, ich nehme Ihren Handschuh als geworfen an und werde Ihnen denselben um eine Kugel gewickelt zurückschicken. Nun gehen Sie von hier weg, oder ich rufe meine Diener und lasse Sie hinauswerfen.
Trunken, verwirrt, mit blutigen Augen machte Albert zwei Schritte rückwärts.
Morel benutzte diese Gelegenheit, um die Tür wieder zu schließen. Monte Christo ergriff sein Doppelglas und fing an hindurchzuschauen, als ob nichts Besonderes vorgefallen wäre. Dieser Mann hatte ein Herz von Erz und ein Gesicht von Marmor. Morel neigte sich an sein Ohr und sagte zu ihm: Was haben Sie ihm getan?
Ich? Nichts, persönlich wenigstens, sagte Monte Christo.
Diese seltsame Szene muß doch einen Grund haben?
Die Geschichte des Grafen von Morcerf bringt den unglücklichen jungen Mann ganz außer sich.
Haben Sie denn Anteil daran?
Die Kammer ist durch Haydee von dem Verrate seines Vaters unterrichtet worden.
Man hat mir in der Tat davon erzählt, sagte Morel, doch ich wollte nicht glauben, daß die griechische Sklavin die Tochter Ali Paschas ist. – Es ist die reine Wahrheit.
Oh! mein Gott, ich begreife nun alles, und diese Szene ist absichtlich herbeigeführt worden. – Wieso?
Ja. Albert schreibt mir, ich möchte mich heute abend in der Oper einfinden; er wollte mich also zum Zeugen der von ihm beabsichtigten Beleidigung haben.
Wahrscheinlich, sagte Monte Christo mit seiner unstörbaren Ruhe.
Aber was werden Sie mit ihm machen?
Mit Albert? versetzte Monte Christo in demselben Tone, was ich mit ihm machen werde, Maximilian? So wahr Sie hier sind und ich Ihnen die Hand drücke, töte ich ihn morgen vormittag um zehn Uhr; das werde ich machen.
Morel nahm ebenfalls Monte Christos Hand in die seinige und bebte, als er diese kalte und ruhige Hand fühlte.
Ah! Graf, sagte er, sein Vater liebt ihn so sehr!
Sagen Sie mir das nicht! rief Monte Christo mit der ersten Regung des Zornes, der ihn zu fassen schien, er mag leiden!
Morel ließ erstaunt die Hand fallen.
Graf!
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