Der Graf von Monte Christo
sterben.
Oh! mein Gott! mein Gott! rief Morel, ich habe sie sterbend zurückgelassen.
Monte Christo legte seine Hand an die Stirn. Was ging in diesem von furchtbaren Geheimnissen beschwerten Kopfe vor? Er hob die Stirn noch einmal, und diesmal war er ruhig wie das Kind beim Erwachen.
Maximilian, sagte er, kehren Sie still nach Hause zurück; ich befehle Ihnen, nichts zu tun, keinen Schritt zu versuchen, über Ihr Antlitz nicht den Schatten einer Unruhe schweben zu lassen, ich werde Ihnen Nachricht geben.
Mein Gott! mein Gott! Graf, Sie erschrecken mich mit Ihrer Kaltblütigkeit. Vermögen Sie etwas gegen den Tod? Sind Sie mehr als ein Mensch?
Und der junge Mann, den keine Gefahr je einen Schritt zurückweichen ließ, wich, von einem unsäglichen Schrecken erfaßt, zurück. Doch Monte Christo schaute ihn jetzt mit einem zugleich so schwermütigen und so sanften Lächeln an, daß Maximilian Tränen in seinen Augen fühlte.
Ich vermag viel, antwortete der Graf. Gehen Sie, ich muß allein sein, mein Freund.
Ohne Widerstreben drückte Morel dem Grafen die Hand und entfernte sich.
Villefort und d'Avrigny waren indessen in größter Eile nach dem Hotel des Staatsanwalts gefahren. Bei ihrer Rückkehr war Valentine noch ohnmächtig, und der Arzt untersuchte die Kranke mit der von den Umständen gebotenen Sorgfalt.
An seinen Lippen und seinen Blicken hängend, erwartete Villefort das Resultat der Prüfung. Bleicher, als das Mädchen, gieriger auf eine Lösung, als Villefort selbst, wartete Noirtier ebenfalls.
Endlich sprach d'Avrigny langsam die Worte: Sie lebt noch.
Noch? rief Villefort, oh! Doktor, welch ein furchtbares Wort haben Sie da ausgesprochen!
Ja, sagte der Doktor, ich wiederhole meine Behauptung; sie lebt noch, und ich bin darüber erstaunt.
Doch sie ist gerettet? – Ja, da sie lebt.
In diesem Moment begegnete der Blick d'Avrignys dem Blicke Noirtiers. Er erglänzte von so außerordentlicher Freude, daß der Arzt sich dadurch betroffen fühlte.
Er ließ das Mädchen, dessen bleiche, weiße Lippen sich kaum noch vom übrigen Gesicht abhoben, wieder auf den Stuhl fallen und sagte zu Villefort: Rufen Sie gefälligst die Kammerjungfer des Fräuleins.
Villefort ließ den Kopf seiner Tochter los, den er unterstützte, und lief weg, um die Kammerjungfer zu rufen.
Sobald Villefort die Tür zugemacht hatte, näherte sich d'Avrigny Herrn Noirtier und fragte ihn: Sie haben mir etwas zu sagen?
Der Greis blinzelte auf eine ausdrucksvolle Weise mit den Augen; es war dies, wie man sich erinnert, sein bejahendes Zeichen.
Gut, ich werde bei Ihnen bleiben.
In diesem Augenblick kehrte Villefort mit der Kammerjungfer zurück; hinter dieser ging Frau von Villefort.
Aber was hat denn das liebe Kind? rief sie: ... sie ging von mir weg, beklagte sich zwar etwas über Unpäßlichkeit, doch ich glaubte, es sei von keiner Bedeutung.
Und die junge Frau näherte sich Valentine mit Tränen in den Augen und mit allen Zeichen der Zuneigung einer wahren Mutter, und nahm sie bei der Hand.
D'Avrigny schaute Noirtier fortwährend an; er sah, wie seine Augen sich erweiterten, wie seine Wangen zitterten und erbleichten, wie der Schweiß auf seiner Stirn perlte.
Oh! stieß er unwillkürlich hervor, während er der Richtung der Blicke des Greises folgte, das heißt, seine Augen auf Frau von Villefort heftete. Diese sagte wiederholt: Das arme Kind wird besser in seinem Zimmer sein. Kommen Sie, Fanny, wir wollen Valentine zu Bette bringen.
Der Arzt, der in diesem Vorschlag ein Mittel sah, mit Noirtier allein zu bleiben, erklärte dies für das beste, verbot aber, sie irgend etwas anderes nehmen zu lassen, als was er verordnen würde.
Man trug Valentine weg; sie hatte wieder das Bewußtsein erlangt, vermochte aber weder sich zu bewegen, noch zu sprechen, so sehr waren ihre Glieder durch die Erschütterung, die sie erlitten, gelähmt. Sie hatte indessen die Kraft, mit einem Blicke ihren Großvater zu grüßen, dem man, als man sie wegtrug, die Seele zu entreißen schien.
D'Avrigny folgte der Kranken, gab weitere Vorschriften, hieß Villefort selbst zum Apotheker fahren, dort die verordneten Tränke bereiten lassen, sie selbst zurückbringen und ihn im Zimmer seiner Tochter erwarten.
Nachdem er abermals eingeschärft, Valentine nichts nehmen zu lassen, ging er wieder zu Herrn Noirtier hinab, schloß sorgfältig die Tür, überzeugte sich, daß niemand horchte, und sagte: Mein Herr, Sie wissen etwas über die Krankheit Ihrer
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