Der Graf von Monte Christo
wenig, daß Sie eine solche Bitte an mich richten? Verlangen Sie eine halbe Million von mir, und Sie werden mich, ans mein Ehrenwort, eher dazu geneigt finden. Ich, der ein Serail in Kairo, in Smyrna und in Konstantinopel hat, soll den Vorsitz bei einer Hochzeit führen? Niemals!
Sie schlagen es also ab?
Ja; ich würde es abschlagen, selbst wenn Sie mein Sohn wären.
Ah! rief Andrea verblüfft, wie soll ich es machen?
Sie haben hundert Freunde, wie Sie soeben selbst sagten.
Gewiß; doch Sie stellten mich Herrn Danglars vor.
Keineswegs! In Wahrheit war es so: Ich habe Sie mit ihm in Auteuil speisen lassen, und Sie haben sich ihm selbst vorgestellt. Teufel! das ist ein Unterschied.
Ja, doch Sie trugen zu meiner Verheiratung bei.
Ich? Ganz und gar nicht, ich bitte Sie, mir dies zu glauben. Erinnern Sie sich doch, was ich Ihnen geantwortet habe, als Sie zu mir kamen und mich baten, Fräulein Danglars' Hand für Sie zu verlangen. Oh! ich vermittle nie Heiraten, mein Prinz, das ist bei mir ein fester Grundsatz.
Andrea biß sich auf die Lippen.
Doch Sie werden wenigstens anwesend sein?
Wird ganz Paris erscheinen? – Oh! gewiß.
Gut! ich werde es machen, wie ganz Paris.
Sie werden den Vertrag unterzeichnen?
Oh! ich sehe darin nichts Unangemessenes, und meine Bedenklichkeiten gehen nicht so weit.
Nun, da Sie mir nicht mehr gewähren wollen, so muß ich mich mit dem begnügen, was Sie mir geben. Doch ein letztes Wort, Herr Graf.
Was denn? Sprechen Sie.
Die Mitgift meiner Frau beträgt 500 000 Franken?
Diese Zahl hat mir Herr Danglars selbst genannt.
Soll ich sie in Empfang nehmen, oder in den Händen des Notars lassen?
Anständigerweise verfährt man so: Ihre beiden Notare verabreden bei Abschluß des Vertrages eine Zusammenkunft für den nächsten, oder den zweiten Tag. Dann tauschen sie die Mitgiften aus, worüber sie sich gegenseitig Scheine geben. Ist dann die Hochzeit gefeiert, so stellen sie die Millionen zu Ihrer Verfügung, da Sie das Haupt der Gemeinschaft sind.
Ich glaube, sagte Andrea mit schlecht verhehlter Unruhe, eine Äußerung meines Schwiegervaters gehört zu haben, er wolle unsere Fonds in Eisenbahnaktien anlegen.
Ah! das ist doch nach allgemeiner Ansicht ein Mittel, Ihre Kapitalien in einem Jahre wenigstens zu verdreifachen. Der Herr Baron Danglars versteht zu rechnen.
Somit geht alles vortrefflich, abgesehen von Ihrer Weigerung, die mich im höchsten Grade schmerzt.
Schreiben Sie diese einzig und allein einem unter solchen Umständen natürlichen Bedenken zu.
Gut, sagte Andrea, es sei, wie Sie wollen, heute abend um neun Uhr.
Auf Wiedersehen.
Und trotz eines leichten Widerstrebens Monte Christos, der aber ein zeremoniöses Lächeln beibehielt, ergriff Andrea die Hand des Grafen, drückte sie, sprang in seinen Wagen und verschwand.
Die vier Stunden, die ihm bis neun Uhr blieben, wandte Andrea zu Besuchen an, um die von ihm erwähnten Freunde zu veranlassen, mit allem Luxus ihrer Equipagen bei dem Bankier zu erscheinen.
Um halb neun Uhr abends waren der große Salon im Danglarsschen Hause, die an diesen Salon anstoßende Galerie, und die drei andern Salons des Stockes, die tausend Kerzen bestrahlten, von einer parfümierten Menge erfüllt, die viel weniger die Sympathie anzog, als das unwiderstehliche Bedürfnis, da zu sein, wo man etwas Neues zu sehen hoffen durfte.
Fräulein Eugenie war mit der zierlichsten Einfachheit angetan; ein Kleid von weißer Seide, eine halb in ihren rabenschwarzen Haaren verlorene weiße Rose bildeten ihren ganzen Schmuck.
Dreißig Schritte von ihr plauderte Frau Danglars mit Debray, Beauchamp und Chateau-Renaud. Andrea, der am Arme eines der bekanntesten Pariser Stutzer einherschritt, entwickelte diesem seine maßlosen Pläne für sein zukünftiges Leben, und wie er durch seinen Luxus selbst die verwöhnten Pariser in Erstaunen setzen wollte.
Die Menge wanderte durch diese Salons, wie ein Strom von Türkisen, Rubinen, Smaragden und Diamanten. Wie überall konnte man auch hier bemerken, daß die ältesten Frauen am meisten geschmückt waren, und daß sich die Häßlichsten am hartnäckigsten vordrängten. Wollte man sich einer schönen weißen Lilie, einer süßen, duftenden Rose erfreuen, so mußte man sie verborgen in irgend einem Winkel hinter einer turbangeschmückten Mutter oder einer mit einem Paradiesvogel koiffierten Tante suchen.
In dem Augenblicke, wo der Zeiger der massiven Pendeluhr auf ihrem goldenen Zifferblatt neun Uhr anzeigte,
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