Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Graf von Monte Christo

Der Graf von Monte Christo

Titel: Der Graf von Monte Christo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
ihn nicht, Gott schickt ihn mir, und er ist willkommen.
    Wie stark und mutig du bist, sagte das blonde, schwächliche Mädchen zu seiner braunen Gefährtin.
    Kennst du mich noch nicht? Also, zunächst der Reisewagen?
    Ist zum Glück seit drei Tagen gekauft.
    Unser Paß? – Hier ist er!
    Eugenie entfaltete mit ihrer gewöhnlichen Festigkeit ein Papier und las: Herr Leon d'Armilly, einundzwanzig Jahre alt; Gewerbe: Künstler; Haare: schwarz; Augen: schwarz; reist mit seiner Schwester.
    Durch wen hast du dir diesen Paß verschafft?
    Als ich zu Herrn von Mont: Christo ging und ihn um Briefe an die Direktoren der Theater in Rom und Neapel bat, drückte ich ihm meine Befürchtungen darüber aus, daß ich allein reisen sollte. Er begriff mich vollkommen, bot an, mir einen Männerpaß zu verschaffen, und zwei Tage nachher erhielt ich diesen, dem ich mit meiner Hand die Worte: Reist mit seiner Schwester, beigefügt habe.
    Wir brauchen also nur noch unsern Koffer zu packen und abzureisen.
    Überlege es wohl, Eugenie.
    Oh! ich habe es wohl überlegt? ich bin es müde, von nichts sprechen zu hören, als von Bilanzen, Monatsabschlüssen, von Steigen und Fallen der Rente, von spanischen Fonds, von Haytischen Papieren. Statt dessen, Luise, begreifst du! die Luft, die Freiheit, der Gesang der Vögel, die Ebenen der Lombardei, die Kanäle Venedigs, die Paläste Roms, das Gestade Neapels. Wieviel besitzen wir, Luise?
    Das befragte Mädchen zog aus einem eingelegten Sekretär ein kleines Portefeuille mit Schloß, öffnete es und zählte dreiundzwanzig Banknoten.
    Dreiundzwanzigtausend Franken, sagte Luise.
    Und für wenigstens ebensoviel Perlen, Diamanten und Juwelen, sagte Eugenie. Wir sind mit 45 000 Franken reich, wir können zwei Jahre lang wie Prinzessinnen, oder vier Jahre lang anständig leben. Doch ehe sechs Monate vergehen, haben wir, du mit deiner Musik, ich mit meiner Stimme, unser Kapital verdoppelt. Vorwärts! Übernimm du das Geld, ich übernehme das Kistchen mit den Edelsteinen, so daß, wenn eine von uns das Unglück hätte, ihren Schatz zu verlieren, die andere immer noch den ihrigen besäße. Und nun den Koffer, rasch den Koffer.
    Mit einer wunderbaren Geschäftigkeit fingen die beiden an, in einem Koffer alle Gegenstände aufzuhäufen, die sie für ihre Reise nötig zu haben glaubten.
    Gut, nun schließe den Koffer, während ich die Kleider wechsele, sagte Eugenie.
    Sie zog eine Schublade auf, aus der sie einen blauseidenen Regenmantel für Fräulein d'Armilly nahm, mit dem diese sofort ihre Schultern bedeckte, und einen vollständigen Männeranzug, von den Stiefelchen bis zum Oberrock, nebst einem Vorrat von Wäsche. Mit einer Geschwindigkeit, die bewies, daß sie nicht zum ersten Male Männerkleider anzog, schlüpfte Eugenie in ihre Stiefelchen, in die Beinkleider, band sich eine Krawatte um, knöpfte die Weste bis zum Halse zu und legte den Oberrock an, der ihre zarte, schön gewachsene Gestalt hervorhob.
    Oh! In der Tat, das ist sehr gut! sagte die Tonkünstlerin, Eugenie mit Bewunderung anschauend; doch diese schönen, schwarzen Haare, wird sie ein Männerhut zusammenhalten?
    Du wirst es sehen, sagte Eugenie.
    Mit der linken Hand die Flechte ergreifend, die ihre langen Finger kaum umspannen konnten, faßte sie mit der rechten eine große Schere, und bald fiel das weiche, glänzende Haar zu den Füßen des Mädchens nieder. Als die obere Flechte abgeschnitten war, ging Eugenie zu denen an den Schläfen über, die sie nach und nach ebenfalls abschnitt, ohne daß ihr die geringste Klage entschlüpfte; ihre Augen, unter ihren ebenholzschwarzen Brauen, funkelten im Gegenteil freudiger als gewöhnlich.
    Oh! die herrlichen Haare! sagte Luise mit Bedauern.
    Ei! bin ich nicht so hundertmal besser dran? rief Eugenie, die zerstreuten Locken ihres ganz männlich gewordenen Kopfes glättend, und findest du mich nicht schöner?
    Oh! Du bist schön, immer schön! rief Luise. Doch wohin gehen wir?
    Nach Belgien, wenn du willst, es ist die nächste Grenze. Wir erreichen Brüssel, Lüttich, Aachen; wir fahren den Rhein hinauf bis nach Straßburg, reisen durch die Schweiz und steigen über den St. Bernhard nach Italien hinab; bist du damit einverstanden?
    Jawohl! – Was betrachtest du?
    Ich betrachte dich. In der Tat, du bist anbetungswürdig; man sollte meinen, du entführst mich.
    Ei, bei Gott! man würde recht haben.
    Und die Freundinnen, von denen man hätte meinen sollen, sie seien in Tränen versunken, brachen in ein

Weitere Kostenlose Bücher