Der Graf von Monte Christo
hören Sie? antwortete Villefort.
Oh! Gnade, Herr!
Es ist mein Wille, daß Gerechtigkeit geschehe. Ich bin auf der Erde, um zu strafen, fügte er mit einem flammenden Blicke bei; jeder andern Frau, und wäre es eine Königin, würde ich den Henker schicken, gegen Sie werde ich barmherzig sein. Ihnen sage ich: Nicht wahr, gnädige Frau, Sie haben einige Tropfen von Ihrem süßesten, schnellsten und sichersten Gift aufbewahrt?
Oh! Verzeihen Sie mir, lassen Sie mich leben!
Sie ist feig, sagte Villefort.
Bedenken Sie, daß ich Ihre Frau bin!
Sie sind eine Giftmischerin.
Im Namen des Himmels!
Nein.
Im Namen der Liebe, die Sie für mich gehabt haben!
Nein! nein!
Im Namen unseres Kindes! Oh! Unserem Kinde zuliebe lassen Sie mich leben.
Nein! nein! sage ich Ihnen; ließe ich Sie leben, so würden Sie eines Tages das Kind so gut töten, wie die andern.
Ich! mein Kind töten! rief in höchster Leidenschaft diese Mutter, auf Villefort zustürzend; ich meinen Eduard töten? Und ein gräßliches Gelächter, das Lachen einer Wahnsinnigen, vollendete den Satz und verlor sich in einem blutigen Geröchel.
Frau von Villefort stürzte zu den Füßen ihres Gatten nieder.
Villefort näherte sich ihr und sagte: Bedenken Sie wohl! Ist bei meiner Rückkehr nicht Gerechtigkeit geschehen, so zeige ich Sie mit meinem eigenen Munde an, verhafte ich Sie mit meinen eigenen Händen.
Sie hörte keuchend, vernichtet; nur ihr Auge lebte in ihr und brannte in einem düsteren, furchtbaren Feuer.
Sie verstehen mich, sagte Villefort, ich gehe, um die Todesstrafe gegen einen Mörder zu fordern. Finde ich Sie noch lebend, so ist heute nacht der Kerker Ihre Wohnung.
Frau von Villefort stieß einen Seufzer aus, ihre Nerven wurden schlaff, sie wälzte sich gebrochen auf dem Boden.
Der Staatsanwalt schien eine Regung des Mitleids zu fühlen, er schaute sie minder streng an, verbeugte sich leicht vor ihr und sagte langsam: Gott befohlen, gnädige Frau!
Dieser Abschied fiel wie das Messer des Todes auf Frau von Villefort. Sie wurde ohnmächtig.
Der Staatsanwalt entfernte sich und schloß beim Hinausgehen die Tür doppelt zu.
Das Schwurgericht.
›Die Affäre Benedetto‹, wie man damals in Paris und in der Gesellschaft sagte, machte ein ungeheures Aufsehen. Ein täglicher Gast des Café de Paris, des Boulevard de Gand und des Bois de Boulogue, hatte der falsche Cavalcanti während seines Aufenthaltes in Paris und während der paar Monate, die sein Glanz gedauert, eine Menge Bekanntschaften gemacht. Die Zeitungen erzählten von den verschiedenen Stellungen des Angeklagten in seinem eleganten Leben und in seinem Leben im Bagno. Dies erregte die größte Neugierde besonders bei den persönlichen Bekannten des vermeintlichen Prinzen, und diese beschlossen, alles daran zu setzen, um Herrn Benedetto, den Mörder seines Kettenkameraden, auf der Bank der Angeklagten zu sehen.
Für viele war Benedetto, wenn nicht ein Opfer, doch wenigstens ein Irrtum der Justiz; man hatte Herrn Cavalcanti Vater in Paris gesehen, und man erwartete, er werde abermals erscheinen, um seinen erhabenen Sprößling zu reklamieren.
Alles lief also zu der Gerichtssitzung. Von morgens um sieben Uhr drängte man sich am Gitter, und eine Stunde vor Eröffnung der Sitzung war der Saal bereits voll von Bevorzugten.
Beauchamp, der zu den Königen der Presse gehörte, und folglich seinen Tron überall hatte, schaute durch sein Glas nach rechts und links. Er erblickte Chateau-Renaud und Debray, die sich die Gunst eines Stadtsergeanten erworben und diesen bestimmt hatten, sich hinter sie zu stellen, statt vor sie, wie es sein Recht war. Der würdige Agent hatte den Sekretär des Ministers und den Millionär gerochen; er benahm sich voll Rücksicht gegen seine edlen Nachbarn und erlaubte ihnen, mit dem Versprechen, ihre Plätze aufzubewahren, Beauchamp einen Besuch zu machen. Nun! Wir werden also unsern Freund sehen! sagte Beauchamp.
Ei! mein Gott, ja! erwiderte Debray, dieser würdige Prinz! Der Teufel hole den italienischen Prinzen!
Adel des Stricks, bemerkte phlegmatisch Chateau-Renaud.
Nicht wahr, er wird verurteilt werden? fragte Debray Beauchamp.
Ei! mein Lieber, erwiderte der Journalist, mir scheint, das muß man Sie fragen; Sie wissen das besser als wir. Haben Sie den Präsidenten bei der letzten Soirée Ihres Ministers gesprochen?
Ja.
Was hat er Ihnen gesagt?
Etwas, was Sie in Erstaunen setzen wird.
Ah! Sprechen Sie geschwind, ich habe schon lange nichts
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