Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine
von euch nennt sich Georges Cadoudal?«, fragte er.
»Ich«, sagte der größte und dickste der Maskierten und richtete sich zu voller Größe auf.
»Du lügst«, sagte der Fremde.
Er zückte eine Pistole und schoss den anderen in die Brust. »Ich bin Cadoudal«, sagte er.
Der Tote stürzte mit voller Wucht zu Boden, und die Banditen traten erschrocken zurück, denn sie erkannten, dass ihnen tatsächlich der wahre Cadoudal gegenüberstand, den sie in England gewähnt hatten.
24
Gegenordre
Kein Mann im ganzen Morbihan hätte es gewagt, die Hand gegen Cadoudal zu erheben, oder gezögert, seine Befehle zu befolgen. Der Unteranführer der Bande, der die zwei Kinder noch an der Hand hielt, setzte sie ab und trat zu Cadoudal mit den Worten: »General, was befehlen Sie?«
»Binden Sie zuerst das bedauernswerte Paar los.«
Die Banditen stürzten sich auf Bauer und Bäuerin und lösten im Handumdrehen die Fesseln. Die Frau ließ sich in einen Lehnstuhl sinken, nahm ihre Kinder in die Arme und presste sie ans Herz. Der Mann erhob sich, ging zu Cadoudal und drückte ihm die Hand.
»Und jetzt?«, fragte der »Offizier«.
»Jetzt«, sagte Cadoudal, »will ich wissen, ob es stimmt, dass ihr drei Banden seid.«
»Ja, General.«
»Wer hat euch dazu angestiftet, euch zusammenzurotten und dieses verabscheuenswürdige Gewerbe zu betreiben?«
»Es ist jemand aus Paris gekommen, der uns versichert hat, Sie würden vor Ablauf eines Monats zu uns stoßen, und der uns in Ihrem Namen befohlen hat, uns zu sammeln.«
»Als Chouans, das würde ich ja noch verstehen, aber als Fußbrenner! Bin ich vielleicht ein Fußbrenner?«
»Man hat uns sogar gesagt, wir sollten den zum Anführer machen, der Georges II. hieß, weil er Ihnen so ähnlich sah, damit jeder glaubt, dass Sie unter uns weilen. Wie sollen wir unser Vergehen jetzt sühnen?«
»Euer Vergehen besteht darin, dass ihr geglaubt habt, ich wäre imstande, Anführer einer Bande von Fußbrennern zu werden, und dafür gibt es keine Sühne. Bringt auf der Stelle den anderen Truppen meinen Befehl, sich zu zerstreuen und vor allen Dingen mit ihrem schändlichen Treiben aufzuhören. Dann benachrichtigt alle ehemaligen Anführer, insbesondere Sol de Grisolles und Guillemot, dass sie die Waffen wieder ergreifen und sich bereithalten sollen, auf mein Geheiß erneut in den Kampf zu ziehen. Aber kein Schritt, keine Handlung ohne meinen ausdrücklichen Befehl!«
Ohne ein Wort, beinahe lautlos, zogen die Banditen sich zurück.
Der Bauer und seine Frau räumten ihre Schränke wieder ein, die Wäsche in die Fächer, das Silberbesteck in die Schubladen. Nach einer halben Stunde waren keine Spuren des Überfalls mehr zu sehen.
Madame Doley hatte sich nicht getäuscht: Ihr Ehemann hatte tagsüber seine Vorkehrungen getroffen. Er hatte den größten Teil des Silbergeschirrs, einen Teil des Bestecks und die Goldmünzen im Wert von ungefähr zwölftausend Francs in ein sicheres Versteck gebracht.
Von allen Bauern ist der Bretone der misstrauischste und vielleicht auch der vorausschauendste. Trotz Cadoudals Wort hatte Doley geargwöhnt, dass die Sache schlecht ausgehen könnte, und für diesen Fall wollte er wenigstens den größeren Teil seines Vermögens in Sicherheit wissen, was ihm auch gelungen war.
Jean und seine Frau wurden benachrichtigt, und die Türen wurden geschlossen, nachdem der Leichnam Georges’ II. hinausgeschafft worden
war. Cadoudal, der seit dem Morgen nichts gegessen hatte, speiste so ungerührt zu Abend, als wäre nichts geschehen; er lehnte das Bett ab, das der Bauer ihm anbot, und schlief in der Scheune im frischen Stroh.
Am nächsten Tag kam Cadoudals einstiger Adjutant Sol de Grisolles, kaum dass Cadoudal auf den Beinen war. Sol de Grisolles wohnte in Auray, zweieinhalb Wegstunden von Plescop entfernt. Einer der Briganten hatte ihn sofort benachrichtigt, in der Hoffnung, damit Gnade vor Cadoudal zu finden.
Sol de Grisolles war nicht wenig erstaunt, Cadoudal wiederzusehen: Wie alle Welt hatte er ihn in London geglaubt.
Cadoudal erzählte ihm, was vorgefallen war; auf dem Küchenboden waren noch Ruß und Blutspuren zu sehen.
Offensichtlich hatte die Polizei ein Komplott geschmiedet, um das Abkommen mit Bonaparte zu unterminieren, indem man Cadoudal beschuldigte, es gebrochen zu haben. Falls sich das so verhielt, stand es Cadoudal frei zu tun, was er wollte; und darüber wollte er sich mit Sol de Grisolles beraten.
Als Erstes wollte er sich unmittelbar an
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