Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine
auf Coopers Spuren verirrte, hatte weder Der Waldläufer noch Der Indianer veröffentlicht, und Gustave Aimard hatte noch nicht den Legendenschatz, den er ins Leben rief, aus den Tiefen der amerikanischen Wälder heraufbeschworen: Nein, alles war noch jungfräulich im Wald und auf der Prärie, so jungfräulich wie Wald und Prärie selbst, und derjenige, der als Erster deren Schleier heben sollte, fand sie so keusch und rein vor wie am ersten Tag der Schöpfung.
»Als ich den Mohawk überquert hatte, gelangte ich in Wälder, die noch nie eine Axt berührt hatte. Eine Art Unabhängigkeitstaumel ergriff mich. Ich ging von rechts nach links und von Baum zu Baum und sagte mir immer wieder: ›Hier gibt es keine Wege mehr, keine Städte, keine Monarchie und keine Republik, weder Präsidenten noch Könige, noch überhaupt Menschen.‹ Und um zu erproben, ob ich wirklich wieder in meine angestammten Rechte eingesetzt sei, überließ ich mich einer völligen Willkür, was meinen Führer, der mich ohnehin insgeheim für verrückt hielt, in Zorn versetzte.«
Und bald sagte der Reisende der Zivilisation Adieu: kein Dach über dem Kopf mehr als eine Ajupa, kein Bett mehr als den Erdboden, kein Kopfkissen mehr als den Sattel, keine Decke mehr als die Mäntel, keinen Betthimmel mehr als den Himmel selbst.
Die Pferde liefen frei umher, mit einem Glöckchen am Hals, und ein bewundernswerter
Selbsterhaltungstrieb machte, dass sie nie das von ihren Herren entzündete Feuer aus dem Auge verloren, das die Insekten vertrieb und die Schlangen fernhielt.
Und dann beginnt eine Reise im Geiste Sternes: Doch statt die Zivilisation zu beackern, durchpflügt unser Reisender die Einsamkeit. Ab und zu bietet sich ein Indianerdorf unversehens seinem Blick dar, oder ein Nomadenstamm kommt ihm vor die Augen. Dann macht der Mann der Zivilisation dem Mann der Einöde eines jener Zeichen universeller Brüderlichkeit, die auf der ganzen Erdoberfläche verstanden werden, und seine künftigen Gastgeber stimmen den Gesang an, mit dem sie Fremde willkommen heißen: »Seht den Fremden, seht den Gesandten des großen Geistes!«
Nach Beendigung des Gesangs trat ein Kind auf den Fremden zu, nahm ihn an der Hand und führte ihn zu einer Hütte, an deren Schwelle es sagte: »Siehe den Fremden«, worauf der Herr der Hütte antwortete: »Kind, führe den Mann in meine Hütte!« Der Fremde trat an der Hand des Kindes ein und setzte sich, wie bei den Griechen, an das Feuer. Man reichte ihm die Friedenspfeife, er rauchte dreimal, und die Weiber sangen den Gesang des Trostes: »Der Fremde hat wieder eine Mutter und ein Weib gefunden: Die Sonne wird wieder für ihn auf- und untergehen wie ehedem.« Man füllte eine geheiligte Schale mit Ahornsaft; der Fremde trank die Hälfte, bot dann die Schale seinem Wirt, und dieser trank sie vollends aus.
Wollen Sie statt dieser pittoresken Bilder aus dem Leben der Wilden lieber Nacht, Schweigen, Besinnlichkeit, Melancholie?
Der Reisende malt all dies; sehen Sie nur:
»Von meinen Gedanken erhitzt, erhob ich mich und setzte mich in einiger Entfernung auf eine Baumwurzel, die über einen Bach ragte. Es war eine jener amerikanischen Nächte, die kein von Menschenhand geführter Pinsel jemals wiedergeben kann und deren Erinnerung mir immer köstlich war.
Der Mond hatte seinen höchsten Stand am Himmel erreicht; hie und da sah man in großen Abständen Tausende Sterne funkeln. Bald ruhte der Mond auf zusammengeballten Wolken wie auf schneegekrönten Berggipfeln, bald zerstreuten sich die Wolken und zerflossen zu durchsichtigen, wogenden, weißseidenen Schleiern oder verwandelten sich in leichte Schaumflöckchen, unendlich viele Schäfchen, die sich in den blauen Weiten des Firmaments verloren. Ein andermal war das Himmelsgewölbe wie
in einen Meeresstrand verwandelt, dessen horizontale Schichten deutlich sichtbar waren, parallel verlaufende Streifen, wie sie Ebbe und Flut in den Sand graben; dann zerriss ein Windstoß den Wolkenschleier, und am ganzen Himmel ballten sich dichte Massen strahlend weißer Watte, so bauschig, dass man ihre Weichheit und Geschmeidigkeit fast zu spüren vermeinte. Der Anblick der irdischen Landschaft war kaum weniger bezaubernd; das blaue, samtige Mondlicht hing still über den Baumwipfeln, drang zwischen die Bäume und sandte Lichtgarben bis in die tiefste Finsternis. Der schmale Bach zu meinen Füßen verschwand immer wieder in Dickichten aus Eichen, Weiden und Magnolien, um auf der nächsten
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