Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine
war von einer für jene Tage sagenhaften Schussweite: Auf sieben- bis achthundert Schritt konnte man einen Menschen tödlich treffen.
René steckte sich die Pistolen in den Gürtel, ergriff den Stutzen und gab das Gewehr François.
Die Piroge näherte sich noch immer; sie befand sich keine zweihundert Schritt vom Heck der Runner entfernt.
René ließ sich von Kernoch das Sprachrohr geben. »Heda!«, rief er auf Englisch. »Geben Sie sich zu erkennen! Hier ist die Runner of New York .«
Die Antwort bestand darin, dass ein Mann in der Piroge die Reling erkletterte und eine unanständige Gebärde machte.
René senkte den Lauf seines Stutzens, legte das Gewehr an und feuerte, fast ohne zu zielen.
Der Mann bäumte sich auf und stürzte ins Meer.
Die Besatzung der Piroge stieß Zornesrufe und Drohungen aus.
»Kernoch«, sagte René, »kennen Sie Romulus?«
»Nein, Monsieur René. Stammt er aus Saint-Malo?«
»Nein, mein lieber Kernoch, aber er war dennoch ein großer Mann, und wie alle großen Männer neigte er zu unüberlegten Handlungen. In einer Zornesanwandlung hat er seinen eigenen Bruder erschlagen. Da es ein großes Verbrechen ist, seinen Bruder zu erschlagen, und so ein Verbrechen nicht ungesühnt bleibt, brach eines Tages, als er eine Truppenparade abnahm, ein gewaltiger Sturm aus, und in diesem Sturm verschwand er! … Lassen Sie sich nicht lange bitten, zielen Sie mit der Jagdkanone, und lassen Sie die Piroge so spurlos verschwinden wie Romulus.«
»Kanoniere an der Jagdkanone«, rief Kernoch, »seid ihr bereit?«
»Ja«, erwiderten sie.
»Wohlan, dann feuert, sobald die Piroge in Sicht kommt!«
»Wartet!«, rief René. »François, sagen Sie den Damen, dass sie sich nicht ängstigen sollen; sagen Sie ihnen, dass wir nur unsere Kanonen ausprobieren.«
François verschwand in der Luke und war eine Minute später wieder da.
»Sie sagen, es sei recht so, und bei Ihnen, Monsieur René, würden sie sich nie ängstigen.«
Das Vierundzwanzigergeschütz, das beweglich war, hatte die Piroge verfolgt und auf kaum zweihundert Schritt Entfernung gefeuert.
Man hätte meinen können, Renés Befehl sei aufs Wort befolgt worden: Von der Piroge war nichts mehr zu sehen als Treibgut und Menschen im Todeskampf, die einer nach dem anderen von den Haien in die Tiefe gezogen wurden.
Im selben Augenblick rief der Mann im Ausguck: »Die Perahu!«
»Und wo?«, fragte Kernoch.
»Luvwärts.«
In der Tat sah man eine riesige Perahu von sechzig Fuß Länge wie eine Schlange herangleiten: Dreißig Ruderer und vierzig bis fünfzig Kämpfer waren zu sehen, und zweifellos lagen noch viele mehr auf dem Bauch versteckt.
Sobald die Perahu die Meerenge verlassen hatte, nahm sie Kurs auf die Slup.
»Seid ihr bereit?«, fragte René die Kanoniere.
»Wir erwarten Ihre Befehle, Kommandant«, erwiderte der Oberkanonier.
»Ein Drittel mehr Kartätschenladung und Achtzig-Pfund-Kugeln.«
Und da Wind aufkam, was das Manöver erleichterte, sagte Kernoch: »Haltet euch bereit zu wenden, wenn ich es befehle.«
»Gleicher Kurs?«, fragte der Rudergänger.
»Ja, aber langsamer, damit es nicht aussieht, als wollten wir vor einem so erbärmlichen Gegner die Flucht ergreifen.«
Segel wurden gerefft, und die Slup verlangsamte ihre Fahrt.
»Sind Sie bereit zu wenden?«, rief Kernoch dem Rudergänger zu.
»Wie ein Kreisel wird sie wenden, mein Kommandant, seien Sie unbesorgt.«
Inzwischen waren die einzelnen Personen auf der Perahu zu erkennen. Ihr Anführer stand auf dem nach innen gebogenen Bug und fuchtelte drohend mit seinem Gewehr.
»Wollen Sie ihm nicht das Maul stopfen, Monsieur René?«, fragte Kernoch. »Das Herumgehampel dieses Burschen geht mir ganz entsetzlich auf die Nerven.«
»Lassen Sie ihn noch ein wenig näher kommen, lieber Freund; wir wollen uns nicht vor ihm blamieren. Bei diesen Burschen muss jeder Schuss sitzen. François, lassen Sie Piken an Deck bringen, damit wir das Entern abwehren können.«
François stieg die Luke hinunter und kam mit zwei Matrosen wieder, welche die Arme voller Piken hatten. Sie wurden steuerbords verteilt, denn dort würden die Piraten zu entern versuchen.
»Schicken Sie zwei Mann mit Musketen in den Mastkorb, lieber Kernoch«, sagte René.
Der Befehl wurde sofort ausgeführt.
»Kernoch«, sagte René, »sehen Sie nur, was für Kapriolen unser Mann jetzt vollführen wird.« Und er schoss mit seinem Stutzen.
Der Mann am Bug der Perahu breitete die Arme aus, ließ sein Gewehr
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