Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine
Abend betrachtete René von der Poop oder vom Fenster der Kajüte der Damen aus stundenlang diese goldenen und silbernen Wogen, die sich in alle Richtungen im Meer bewegten. Sie schimmerten umso heller, je aufgewühlter das Meer und je dunkler die Nacht war, und bisweilen sah man dann Mollusken von unvorstellbaren Ausmaßen, manche darunter von fünfzehn oder zwanzig Fuß Durchmesser.
Im Lichtschein dieses schwimmenden Meerleuchtens waren verschiedenste andere Meerestiere zu sehen, vor allem Meerbrassen und Bonitos, die keine Leuchtkraft besaßen und als dunkle Massen in dem brennenden Meer schwammen. Das Kielwasser des Schiffs bildete ebenfalls eine feurige Spur. Die Slup schien nicht länger die Wassermassen zu teilen, die sie durchquerte, sondern sich wie ein Pflug in einen Boden aus glühender Lava zu versenken, aus dem bei jedem Einschnitt Feuergarben hochsprühten.
Nach elftägiger Fahrt war man auf Höhe der Malediven angekommen, als der Mann im Ausguck bei schwachem südöstlichem Wind rief: »Obacht, eine Piroge!« Auf diesen Ruf eilte Kernoch an Deck, wo René mit einem Fernglas in der Hand hin- und herging.
»Und wo?«, wollte Kernoch wissen.
»In Lee; sie hält auf uns zu.«
»Mit Ausleger oder ohne?«
»Mit.«
»Alles bereit?«, fragte Kernoch, an den Waffenmeister gewandt.
»Ja, mein Kommandant«, erwiderte dieser.
»Sind die Kanonen geladen?«
»Ja, mein Kommandant, drei mit Kugeln und drei mit Kartätschenladung.«
»Und die Jagdkanone?«
»Der Kanonier erwartet Ihre Befehle.«
»Ein Drittel mehr als die gewöhnliche Ladung und achtzig Pfund Kugeln. Lassen Sie die Gewehre an Deck bringen.«
»Ho, ho, Meister Kernoch«, sagte René, »welche Laus ist Ihnen über die Leber gelaufen?«
»Monsieur René, würden Sie mir Ihr Fernglas ausleihen?«
»Jederzeit«, sagte René und reichte es ihm, »es ist ein ausgezeichnetes englisches Glas.«
Kernoch richtete es auf die Piroge.
»Meiner Treu, dachte ich es mir doch!«, rief er. »Sie ist mit sieben oder acht Schurken bemannt.«
»Und so ein Spielzeug macht Ihnen Sorgen, Kernoch?«
»Nicht unbedingt; aber wenn ich den Pilotfisch sehe, dann macht mir nicht der Pilotfisch Sorgen, sondern der Hai.«
»Und zu welchem Hai gehört dieser Pilotfisch?«
»Zu irgendeiner Eingeborenen-Perahu, die sicher nichts dagegen hätte, sich ein hübsches Schiff wie die Runner of New York unter den Nagel zu reißen und unsere schönen Passagierinnen zu nötigen, mehrere tausend Rupien Lösegeld zu bezahlen.«
»Nun«, sagte René, »mich dünkt wahrhaftig, dass die Piroge Kurs auf uns nimmt.«
»Da täuschen Sie sich nicht.«
»Was hat sie vor?«
»Sie will uns auskundschaften, unsere Kanonen zählen, herausfinden, wie viel Mann wir sind, und feststellen, ob wir leicht oder schwer zu verdauen sind.«
»Teufel auch! Aber sehen Sie, dass sie in fünf Minuten in Gefechtsdistanz angekommen sein wird?«
»So ist es, und ich denke, Sie sollten keine Zeit mehr verlieren, sondern die Gewehre holen lassen, wenn Sie ihr einen Gruß schicken wollen.«
René rief einen Matrosen herbei, der als ziviler Matrose diente und den jedermann an Bord den Pariser nannte.
Als typisches Pariser Kind war er für alles zu gebrauchen, er hatte von allem ein bisschen Ahnung und fürchtete sich vor nichts; er tanzte die Gigue, dass sich sogar die Amerikaner totlachten, schlenkerte beim Tanzen mit den Beinen und konnte notfalls das Florett führen.
»François«, sagte René zu ihm, »holen Sie aus meiner Kajüte meinen Stutzen, mein zweiläufiges Gewehr und meine Pistolen, und bringen Sie Pulver und Kugeln mit.«
»Kommt es zu einem Wortwechsel mit den Rußkäfern, mein Kommandant?«, fragte François.
»Ich befürchte es«, sagte René. »Als Pariser bist du mit allen Sprachen vertraut; sprichst du zufällig auch Malaiisch?«
»Nicht die Bohne.«
Er stieg die Luke hinunter und pfiff unterwegs Veillons au salut de l’Empire.
François war glühender Bonapartist und litt unter der Demütigung, mit
»Engländern« zusammen zu dienen; er hatte eine Erklärung verlangt, sein Kommandant hatte ihm mitgeteilt, dass ihn das nichts angehe, und das hatte er hingenommen. Fünf Minuten später kam er mit den gewünschten Waffen zurück; da die Piroge stetig und geschwind näher kam, machte René sich sofort daran, seinen Stutzen zu laden; das Gewehr mit gezogenem Lauf und die Pistolen waren bereits mit Kugeln versehen.
Der Stutzen, eine herrliche, von Lepage gefertigte Waffe,
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