Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine
der Kaiser ihm als Grabbeigaben sechs Pfeile aus Schilfrohr vom Euphrat und einen Bogen aus germanischem Eichenholz in den Sarg; der Bogen war acht Fuß lang, die Pfeile waren fünf Fuß lang; wie gesagt hieß dieser Riese Maximianus und war römischer Kaiser gewesen. Derjenige, der ihm dieses Grabmal errichtete und es zu der Stelle erklärte, an der Pferde und Wagen bei den Rennen wendeten, hieß Maxentius und ertrank, als er Rom gegen Konstantin verteidigte.«
»Ja«, sagte der junge Husarenoffizier, »ich erinnere mich sehr gut an
das Bild von Le Brun, auf dem Maxentius sich schwimmend zu retten versucht. Und dieser zinnengekrönte Turm, auf dem Granatapfelbäume wachsen wie in den hängenden Gärten der Semiramis, ist das sein Grabmal?«
»Nein, das ist das Grab einer bezaubernden Frau, deren Namen Sie auf der Marmorverkleidung lesen können. Dieses Grabmal diente im 13. Jahrhundert dem Neffen von Papst Bonifaz VIII. als Festung, und es wurde für Caecilia Metella errichtet, die Gattin des Crassus und die Tochter des Caecilius M. Creticus.«
»Ha«, sagte der Offizier, »sie war die Ehefrau des Geizhalses, der dem griechischen Philosophen, den er als Sklaven gekauft hatte, einen alten Strohhut zum Schutz gegen die Sonne lieh, wenn sie ausgingen, ihn aber bei der Rückkehr jedes Mal zurückforderte.«
»Was ihn nicht daran hinderte, Cäsar dreißig Millionen zu leihen, als dessen Gläubiger ihn seine Prätur in Spanien nicht antreten lassen wollten, aus der er vierzig Millionen Gewinn erzielte, nachdem alle Schulden beglichen waren. Die dreißig Millionen für Cäsar und dieses Grabmal zu Ehren seiner Ehefrau sind die einzigen uncharakteristischen Handlungen im Leben des Crassus.«
»Und war sie ein so aufwendiges Grabmal wert?«, fragte der Offizier.
»O ja; sie war eine edle Dame, geistreich, künstlerisch, dichterisch, die in ihrem Haus Catilina, Cäsar, Pompejus, Cicero, Lucullus und Terentius Varro empfing – kurzum alles, was in Rom den Ton angab; können Sie sich ausmalen, wie eine solche Abendgesellschaft verlief?«
»Sicher kurzweiliger als die unseres Botschafters Monsieur Alquier. Aber das Grab wurde offenbar ausgeraubt.«
»Es wurde auf Befehl von Papst Paul III. geöffnet; er entdeckte die Urne mit der Asche und ließ sie in eine Ecke des Eingangsraums des Farnese-Palasts bringen, wo sie sich heute noch befinden dürfte.«
Unterdessen fuhr ihr Wagen weiter; das Grabmal der Caecilia Metella lag hinter ihnen, und sie näherten sich einer rätselhafteren, denn weitaus verfalleneren Ruine.
Der Husarenoffizier hatte den ersten Erläuterungen seines Reisegefährten nur zerstreut gelauscht, doch je länger dieser sprach, desto aufmerksamer hörte er ihm zu. »Was ich nicht verstehe«, sagte er zuletzt, »das ist, warum die Geschichtsschreibung so langweilig sein muss, obwohl die erzählte Geschichte so unterhaltsam ist; Ruinen habe ich mein Lebtag gescheut wie ein Vipernnest, aber wenn Sie es jetzt von mir verlangten,
würde ich jeden einzelnen Stein dieser Ruine umdrehen, um seine Geschichte zu erfahren.«
»Umso mehr«, sagte der junge Cicerone, »als die Geschichte ihrer Steine zu den merkwürdigsten gehört.«
»Fahren Sie fort, ich bin so neugierig wie der Sultan in Tausendundeine Nacht , dem die schöne Scheherazade jeden Abend eine Geschichte erzählt.«
»Es ist die Villa der Quintilier, zweier Brüder, die den Kaiser Commodus ermorden wollten.«
»Ho, ho! War das nicht der Enkel Trajans?«
»Und der Sohn Mark Aurels; aber die Kaiser folgen aufeinander, ohne einander zu ähneln. Als dem zwölfjährigen Commodus das Badewasser zu heiß war, befahl er, den Sklaven, der ihm das Bad bereitet hatte, in den Backofen zu stecken, und obwohl das Badewasser inzwischen auf die gewünschte Temperatur abgekühlt war, nahm er sein Bad erst, als der Sklave durchgebraten war. Die Grillen und Hirngespinste des jungen Kaisers waren allesamt grausamer und gewalttätiger Natur; dies führte zu zahlreichen Verschwörungen gegen ihn, darunter jener der Besitzer der Ruine, die wir gerade vor Augen haben. Es handelte sich darum, Commodus zu ermorden, doch das war leichter gesagt als getan bei einem Mann seiner Körpergröße und Kraft, der verlangte, dass man ihn nicht Commodus, Sohn des Mark Aurel, nannte, sondern Herkules, Sohn des Jupiter. Er verbrachte seine Tage im Zirkus, und er war kampfgewandter als jeder Gladiator; von einem Parther hatte er das Bogenschießen gelernt und von einem Mauren das
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