Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine
Speerwerfen.
Eines Tages hatte ein Pantherweibchen im Zirkus gegenüber der Loge des Kaisers einen Mann gerissen, den es zu zerfleischen begann. Commodus, der nie ohne Bogen und Pfeile ausging, schoss einen Pfeil ab, der das Raubtier tötete, ohne dem Menschen ein Haar zu krümmen. Ein andermal ließ er in ganz Rom verkünden, er werde mit hundert Speeren hundert Löwen erlegen; das war, als er merkte, dass die Liebe des Volks zu ihm zu erkalten begann. Im Zirkus drängten sich die Neugierigen, wie man sich wohl denken kann; man brachte dem Kaiser hundert Speere mit vergoldeter Spitze und ließ hundert Löwen in den Zirkus; Commodus warf die hundert Speere und tötete mit ihnen die hundert Löwen.«
»Ho, ho!«, rief der junge Offizier.
»Das behaupte nicht ich«, sagte sein Begleiter, »sondern Herodianus, der alles mit eigenen Augen gesehen hat.«
»Das ist etwas anderes«, sagte der Husar und lüpfte seinen Kalpak, »dann will ich nichts dagegen sagen.«
»Außerdem«, fuhr der Erzähler fort, »war der Kaiser sechs Fuß groß und wie gesagt sehr stark; mit einem Stockschlag konnte er einem Pferd das Bein brechen, und mit einem Faustschlag tötete er einen Ochsen.
Eines Tages begegnete er einem ausgemacht korpulenten Mann, den er herbeirief und mit einem Schwerthieb in zwei Hälften zerteilte. Sie sehen, dass es keine leichte Sache sein konnte, gegen jemanden wie ihn zu konspirieren. Die Brüder Quintilii entschlossen sich dennoch dazu und trafen ihre Vorbereitungen: Sie vergruben all ihr Gold und Geld, allen Schmuck und alle Edelsteine; dann bereiteten sie Pferde für ihre Flucht vor, falls ihr Anschlag misslingen sollte, und verschanzten sich in einem Torweg, einer engen Durchfahrt zwischen Palast und Amphitheater.
Anfangs schien das Glück den Verschwörern hold zu sein: Commodus hatte nur wenige Begleiter bei sich. Die Quintilier stürzten sich auf ihn, von ihren Komplizen begleitet.
›Da‹, rief einer der Brüder, als er mit seinem Dolch zustach, ›da, Cäsar, nimm, was ich dir im Namen des Senats bringe!‹
Und in dem Halbdunkel der engen Durchfahrt begann ein fürchterliches Gemetzel. Commodus war nur leicht verwundet; die Stöße, die man gegen ihn führte, brachten ihn nicht einmal aus dem Gleichgewicht, während er mit jedem Schlag einen Gegner niederstreckte; zuletzt packte er den Quintilier, der ihn attackiert hatte, an der Kehle und erdrosselte ihn mit seinen eisengleichen Fingern. Im Sterben rief dieser Bruder, der Ältere, dem Jüngeren zu: ›Rette dich, Quadratus, wir haben verloren!‹
Der jüngere Bruder entfloh, sprang auf ein Pferd und raste im Galopp davon.
Die Soldaten machten sich sogleich an seine Verfolgung; für den Fliehenden ging es um Leben und Tod, für die Verfolger um eine ansehnliche Belohnung. Die Soldaten begannen, den Quintilier einzuholen, doch glücklicherweise hatten die Attentäter dies vorausgesehen und sich einen Ausweg einfallen lassen, der sonderbar genug anmuten mag, aber sollten Sie mir nicht glauben wollen, ist Cassius Dio mein Gewährsmann. Der Flüchtende führte einen Schlauch mit Hasenblut mit sich, und der Hase ist bekanntermaßen das einzige Tier, dessen Blut nicht gerinnt; der Flüchtende trank so viel von dem Blut, wie er konnte, und ließ sich vom Pferd fallen wie verwundet. Man fand ihn auf der Straße liegend und Sturzbäche von Blut speiend; und die Verfolger, die ihn für tot, ja mausetot
hielten, plünderten ihn aus und entkleideten ihn, ließen den Leichnam liegen und berichteten Commodus, dass und wie sein Feind zu Tode gekommen war. Unterdessen hatte der Quintilier sich erhoben, war nach Hause gegangen, hatte sich angekleidet, alle Wertgegenstände, die er tragen konnte, mitgenommen und war entflohen.«
»Und Commodus«, fragte der Husarenoffizier, »wie ist er gestorben? Dieser Schlächter, der an einem Tag hundert Löwen töten konnte, hat mein Interesse geweckt.«
»Commodus wurde von seiner Favoritin Marcia vergiftet und von seinem Lieblingsathleten Narcissus erwürgt. Pertinax riss die Macht über das römische Reich an sich und bezahlte dafür sechs Monate später mit seinem Leben. Daraufhin kaufte Didius Julianus Rom und die Welt als Zugabe, doch Rom war es noch nicht gewohnt, verkauft zu werden.«
»Daran hat es sich seitdem gewöhnt«, warf der Offizier ein.
»Ja, aber diesmal lehnte es sich auf, auch wenn wir nicht vergessen dürfen, dass der Verkäufer zu bezahlen vergessen hatte. Septimus Severus nutzte den Aufstand, um
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