Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine
gleich groß.
Man kann sich denken, welchen Eindruck im Herzen dieses kreolischen jungen Mädchens eine solche Verbindung körperlicher und seelischer Eigenschaften bewirken musste, wie sie der geheimnisvolle schöne junge Mann besaß, dessen Bild Claires Erinnerung heimsuchte und im Begriff war, sich ihres Herzens zu bemächtigen.
Hortense hatte ihre Wünsche und Hoffnungen schnell genug offenbart: Duroc zu heiraten, den sie liebte, und Louis Bonaparte, den sie nicht liebte, nicht zu heiraten – so war das Geheimnis beschaffen, das sie ihrer Freundin anzuvertrauen hatte, was sie in wenigen Worten auch tat. Claires romantische Schwärmerei war nicht so leicht abzutun. Ausführlich schilderte sie ihrer Freundin Hectors Erscheinung und drang in das Geheimnis, das ihn umgab, so weit vor, wie sie konnte; erst als ihre Mutter zweimal nach ihr gerufen hatte und sie bereits aufgestanden war und Hortense zum Abschied umarmt hatte, sagte sie – ganz im Stil Madame de Sévignés, die der Ansicht war, das Postskriptum sei der wichtigste Teil eines Briefes – gewissermaßen als Postskriptum und als komme ihr der Gedanke in ebendiesem Moment: »Apropos, liebe Hortense, ich vergaß, Sie etwas zu fragen.«
»Und was?«
»Es heißt, Madame de Permon werde einen großen Ball geben.«
»Ja, Loulou hat mich mit ihrer Mutter besucht und hat uns persönlich eingeladen.«
»Werden Sie hingehen?«
»Aber gewiss.«
»Meine liebe Hortense«, sagte Claire im allerzärtlichsten Ton, »ich möchte Sie um einen Gefallen bitten.«
»Um einen Gefallen?«
»Ja. Können Sie mir und meiner Mutter eine Einladung verschaffen? Wäre das möglich?«
»Aber sicherlich, das hoffe ich jedenfalls.«
Claire tat vor Freude einen Luftsprung.
»Oh, vielen Dank!«, sagte sie. »Wie werden Sie es anstellen?«
»Ich könnte Loulou um eine Einladung bitten, aber ich will es lieber über Eugène bewerkstelligen, denn er ist mit dem Sohn Madame de Permons eng befreundet und wird ihn um alles bitten, was Sie verlangen können.«
»Und ich werde zu dem Ball Madame de Permons eingeladen?«, rief Claire beglückt.
»Gewiss«, erwiderte Hortense; dann sah sie ihre Freundin aufmerksam an und fragte: »Wird er hingehen?«
Claire wurde kirschrot, senkte den Blick und flüsterte: »Ich glaube ja.«
»Du zeigst ihn mir, nicht wahr?«, sagte Hortense, zum vertraulichen »Du« wechselnd.
»Oh, du wirst ihn auch ohne Hilfe sofort erkennen, liebe Hortense! Habe ich dir nicht gesagt, dass man ihn in der größten Menschenmenge sofort bemerkt?«
»Wie ich es bedaure, dass er nicht tanzt!«, sagte Hortense.
»Und ich erst!«, seufzte Claire.
Die zwei jungen Mädchen umarmten einander zum Abschied, wobei Claire Hortense ermahnte, ihre Einladung nicht zu vergessen.
Drei Tage später erhielt Claire Sourdis das ersehnte Schreiben.
11
Der Ball bei Madame de Permon
Der Ball, für den sich Mademoiselle Hortenses Freundin eine Einladung erbeten hatte, war das Stadtgespräch der vornehmen Pariser Kreise jener Tage. Madame de Permon hätte ein viermal so großes Haus wie das ihre benötigt, um alle empfangen zu können, die ihren Ehrgeiz dareingesetzt hatten, an ihrer Abendgesellschaft teilzunehmen; sie hatte mehr als
hundert Herren und mehr als fünfzig Damen abschlägig bescheiden müssen, doch als gebürtige Korsin, seit frühester Kindheit mit allen Mitgliedern der Familie Bonaparte engstens befreundet, erfüllte sie bereitwillig Eugènes Bitte, so dass Mademoiselle de Sourdis und ihre Mutter zwei Eintrittskarten erhielten.
Madame de Permon, deren Einladungen so begehrt waren, war trotz ihres bürgerlichen Namens eine der vornehmsten Damen der feinen Welt, denn sie stammte von den Comnènes ab, die Konstantinopel sechs Kaiser geschenkt hatten, Iraklion einen und Trabzon zehn.
Ihr Vorfahre Constantin Comnène hatte auf der Flucht vor den Muselmanen zusammen mit dreitausend treuen und ergebenen Gefolgsleuten zuerst im Taygetos-Gebirge Zuflucht gesucht und danach in den Bergen Korsikas, wo er sich dauerhaft niederließ, nachdem er dem Senat von Genua das Gebiet von Paomina, von Salogna und von Revinda abgekauft hatte.
Ungeachtet dieser kaiserlichen Herkunft hatte Mademoiselle de Comnène aus Liebe einen schönen Bürgerlichen namens Monsieur de Permon geheiratet, der vor zwei Jahren gestorben war und seine Witwe mit einem achtundzwanzigjährigen Sohn, einer vierzehnjährigen Tochter sowie zwanzig- bis fünfundzwanzigtausend Livres Rente zurückgelassen
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