Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine
hätte er jederzeit begnadigt, ebenso den Brigadekommandeur der Armee König Ferdinands und den Herzog von Cassano, aber den Mörder und Brandstifter Fra Diavolo, den konnte er nicht begnadigen.
Fra Diavolo war überaus beliebt, und die Schaulustigen drängten sich im Gericht; der Angeklagte wohnte dem Verfahren bei, was vor der Regentschaft Josephs und Murats von den Richtern als unnötige Formalität betrachtet worden war. Aufgefordert, sich zu seiner Verteidigung zu äußern, schwieg er; im Gefängnis wiederholte er immer wieder, er habe nur seine Befehle befolgt; er hörte gleichmütig das Todesurteil an, und als es verlesen war, rief er: »Und doch habe ich nicht einmal die Hälfte dessen getan, was Sidney Smith mir aufgetragen hatte!«
Die Hinrichtung war für die Mittagsstunde des darauffolgenden Tages festgesetzt.
Am Tag darauf erreichten Manhès und Graf Leo um zwölf Uhr den Mercato Vecchio, den alten Marktplatz, wo sie dank der Uniform des Offiziers und ihrer Equipage einen guten Platz fanden.
Durch das Gässchen der »Seufzer aus dem Abgrund« kam wie gesagt Fra Diavolo; seine Miene war bleich, aber gefasst; seine Haare waren im Topfschnitt auf Höhe der Ohren abgeschnitten, damit sie dem Strick nicht in die Quere kamen; um den Hals trug er sein Brigadekommandeurspatent mit dem Wappen Neapels, dem großen roten Siegel und Ferdinands Unterschrift; die Jacke, die er über die Schultern geworfen hatte und die ihm erst am Fuß des Schafotts abgenommen werden würde, ließ seine Arme entblößt, und an einem Arm trug er das Armband mit den blonden Haaren Königin Carolines und mit einer Diamantenschließe.
Fra Diavolo betrug sich weder unterwürfig noch auftrumpfend; er war gelassen, mit jener Gelassenheit, die bezeugt, dass die Seele über den Körper herrscht und der Wille über die Materie. Drei Viertel der Zuschauer waren ihm persönlich bekannt, doch er grüßte nur diejenigen, die ihn zuerst grüßten. Manche Frauen bedachte er mit einem Lächeln, und einige wenige grüßte er. Ein Leibgardist vertrieb die Gaffer um den Karren und am Fuß des Galgens auf einen Umkreis von hundert Schritten; am Fuß
der Leiter wartete der Henker Meister Donato mit seinen zwei Henkersknechten.
Der Karren hielt an; man wollte Fra Diavolo hinunterhelfen, doch er sprang ohne Hilfe zu Boden und ging sicheren Schritts auf die Leiter zu; Priester und Gerichtsschreiber folgten ihm; und am Fuß der Leiter verlas der Gerichtsschreiber das Urteil, das gegen ihn ergangen war.
Das Urteil führte alles auf, was die Gesellschaft Fra Diavolo zur Last legte, von dem Mord an seinem Lehrherren, dem Wagner, bis zu der Ermordung zweier französischer Soldaten. Die Bruderschaft der Eremiten des heiligen Paulus oder der Brüder des Todes war zur Gänze dem Karren von Castel Capuano bis zum Schafott gefolgt; ein Bruder des Todes hatte neben dem Delinquenten im Karren gesessen und hatte ihn, die Hand auf seiner Schulter, bis zum Galgen begleitet. Solange der Bruder des Todes den Verurteilten berührte, durfte der Henker nicht Hand an ihn legen, doch sobald er die Hand von ihm nahm, gehörte der Verurteilte dem Scharfrichter.
Nachdem das Urteil verlesen war, sprach Fra Diavolo aufrecht und ohne sichtliche Bewegung einen Augenblick lang leise mit dem Geistlichen; der Henker wartete; dann lehnte Fra Diavolo sich an die Leiter zum Galgen und sagte mit fester Stimme zu dem Bruder des Todes: »Ich habe Ihnen nichts weiter zu sagen, nehmen Sie die Hand von mir, Bruder, ich bin bereit.«
Der Henker ging hinter ihm vorbei und bestieg die Leiter als Erster; er wollte dem Delinquenten unter die Arme greifen, um ihm die Sprossen hinaufzuhelfen, doch dieser schüttelte den Kopf.
»Das ist nicht nötig«, sagte er, »ich kann allein hinaufsteigen.«
Und obwohl seine Hände gefesselt waren, stieg er rückwärts die Leiter hinauf und sagte bei jeder Sprosse, die er verließ, um die nächste zu erklimmen, dreimal: »Ave Maria.« Als er die Schlinge erreichte, legte der Henker sie ihm um den Hals und wartete einen Augenblick für den Fall, dass der Delinquent noch etwas sagen wollte.
In der Tat rief Fra Diavolo, so laut er konnte: »Ich bitte Gott und die Menschen um Vergebung für meine Verbrechen, und ich empfehle meine Seele der Jungfrau Ma-«
Er konnte nicht aussprechen, denn mit einem Fußtritt zwischen die Schulterblätter hatte Meister Donato ihn in die Ewigkeit befördert.
Der Bandit, der spürte, dass er stürzte, bäumte sich so heftig
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