Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine
Sahuc wurde angekündigt.
»Er möge eintreten!«, rief der Vizekönig ungeduldig.
»General«, unterbrach Eugène den General mitten in seiner Begrüßung, »haben Sie Patrouillen auf den Straßen?«
»Gewiss, Eure Hoheit.«
»Und wo?«
»Überall.«
»Verdoppeln Sie sie. Sorgen Sie dafür, dass in jeder Patrouille Männer sind, die Italienisch sprechen, damit sie die Bauern befragen können. Der Kaiser warnt mich – was ich Ihnen jetzt sagen werde, General, ist nur für Ihre Ohren bestimmt -, der Kaiser warnt mich vor einem bevorstehenden Angriff.«
»Als ich mich anschickte, mich zu Eurer Hoheit zu begeben, hat man mir gemeldet, dass sich von der venezianischen Küste ein großes Truppenkontingent nähert«, sagte General Sahuc, »doch an der Trikolore hat man erkannt, dass es ein französisches Korps ist.«
»Das ist General Lamarque mit seiner Division«, sagte der Prinz leise zu dem jungen Offizier.
»Aber wer kann uns angreifen wollen?«
»Die Österreicher, zum Kuckuck!«
»Ohne Kriegserklärung?«
»Das sähe ihnen ganz ähnlich … Jedenfalls schreibt mir der Kaiser, dass die Kriegshandlungen voraussichtlich zwischen dem 13. und dem 15. eröffnet werden. Seien wir also auf der Hut. Senden Sie Ihre Patrouillen aus, und verschaffen Sie sich im Generalstab Übersicht über die Verteilung der Truppen.«
»Unverzüglich, Eure Hoheit.«
Als General Sahuc gegangen war, trat der Hausdiener herein und verkündete Seiner Hoheit, dass angerichtet sei.
»Sie speisen mit uns«, sagte Eugène zu dem Kurier.
»Der Kaiser hat mich beauftragt, Eurer Hoheit zur Verfügung zu stehen«, erwiderte der junge Mann mit einer Verbeugung.
Dann folgte er dem Vizekönig.
ZWEITES KAPITEL
Das Mittagessen
Die Türflügel wurden geöffnet, und der Prinz führte den jungen Mann in einen Salon, in dem der Hofstaat versammelt war.
Seine Zusammensetzung erwähnten wir bereits. Der junge Offizier war überwältigt: Nie zuvor hatte er so viele bezaubernde Frauen und elegante Offiziere in einem Raum gesehen.
»Meine Damen und Herren«, sagte Eugène, »ich darf Ihnen den Schwadronschef René vorstellen, der mir als Sonderkurier des Kaisers gesandt und von unserem Kriegsminister empfohlen wurde. Ein Rivale für Sie, meine Herren, und ein neuer Diener für Sie, meine Damen. Monsieur René, ich gestatte Ihnen, der Prinzessin den Arm zu reichen. Prinzessin, lassen Sie Ihren Kavalier Platz nehmen.«
Die Türen des Speisezimmers wurden geöffnet.
Eine Zeit lang waren alle damit beschäftigt, ihren Platz einzunehmen; man schob die Sessel hin und her, um einander nicht in die Quere zu kommen, doch sobald die Gäste sich gesetzt hatten, blickten alle neugierig zu René.
Als er den Salon betrat, waren seine Schönheit und seine Eleganz allen aufgefallen, doch als man sah, wie er der Prinzessin den Arm reichte, wie er sie zu ihrem Sessel führte und wie er sich vor ihr verneigte, während er selbst Platz nahm, bezweifelte niemand mehr, dass dieser Gast in der allerbesten Gesellschaft zu verkehren gewohnt sein musste.
»Monsieur René«, sagte der Prinz, »ich sehe, dass die Damen kaum an sich halten können, Sie auszufragen, woher Sie kommen und was Sie erlebt haben. Erzählen Sie ihnen doch das eine oder andere.«
»Eure Hoheit bringen mich in große Verlegenheit, wenn Sie mich auffordern, die Unterhaltung an mich zu reißen. Mein Leben war das Leben eines Gefangenen, eines Matrosen, eines Reisenden, eines Soldaten und eines Banditenjägers. Daran ist nichts besonders Interessantes.«
»Ich staune!«, sagte die Prinzessin. »Sie finden daran nichts besonders Interessantes? Ich finde all das überaus interessant.«
»Drängen Sie ihn, Prinzessin, drängen Sie ihn«, sekundierte der Vizekönig seine Frau.
»Sie waren im Gefängnis?«, fragte die Prinzessin ihren Tischnachbarn.
»Mehr als drei Jahre lang, Prinzessin.«
»Und wo?«
»Im Temple-Gefängnis.«
»Waren Sie Staatsgefangener?«
»Ich hatte die Ehre«, erwiderte René lächelnd.
»Und worauf warteten Sie im Temple?«
»Nun, darauf, dass man mich einen Kopf kürzer machte oder mich füsilierte.«
»Oh! Und wer?«
»Seine Majestät Kaiser Napoleon.«
»Aber Sie sind hier -«
»Er gelangte offenbar zu der Ansicht, dass ich es nicht einmal wert sei, guillotiniert oder füsiliert zu werden.«
»Er hat Sie also begnadigt?«
»Ja.«
»Und unter welcher Bedingung?«, fragte Eugène.
»Unter der Bedingung, dass ich mich im Feld umbringen lasse.«
»Sie haben
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