Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine

Titel: Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
Vom Netzwerk:
Fenster saß ihre Mutter, die auf diese Weise ein Auge auf die jungen Leute hatte, ohne hören zu können, was gesprochen wurde.
    Sainte-Hermine verbeugte sich tief zum Zeichen seines Dankes und seiner Hochachtung.
    Claire wies ihm einen Stuhl und setzte sich wieder.

    »Mademoiselle«, sagte er, »ich will nicht versuchen, Ihnen das Glück zu schildern, das es mir bedeutet, für einen Augenblick allein mit Ihnen sprechen zu können: Auf diesen Augenblick, den der Himmel in seiner Güte mir zuteilwerden ließ und von dem Glück oder Unglück meines künftigen Lebens abhängen wird, wartete ich seit einem Jahr, doch erst seit drei Tagen durfte ich auf ihn hoffen. Sie waren so gütig, mir bei dem Ball zu sagen, dass Ihnen meine Seelenpein aufgefallen sei, als ich die Freude und den Schmerz empfand, in Ihrer Gegenwart zu weilen, meine Seelenpein, Sie zu sehen, Schmerz und Freude, die mir das Herz zerrissen. Ich werde Ihnen den Grund nennen – vielleicht ein wenig weitschweifig, doch ich kann mich nur verständlich machen, wenn ich den Bericht, den Sie hören werden, in der Ausführlichkeit halte, die er erfordert.«
    »Sprechen Sie, Monsieur«, sagte Claire. »Alles, was Sie mir sagen können, wird meine ungeteilte Aufmerksamkeit finden, dessen kann ich Sie versichern.«
     
    »Wir entstammen – besser gesagt: ich entstamme, denn ich bin der Letzte unseres Hauses – einem angesehenen Geschlecht im Jura. Mein Vater war Stabsoffizier unter Ludwig XVI. und zählte am 10. August zu seinen Verteidigern; doch statt die Flucht zu ergreifen wie die Fürsten und Höflinge, blieb er bei ihm. Nach dem Tod des Königs hoffte er, dass noch nicht alles verloren sei und dass man die Königin aus dem Temple-Gefängnis retten könne; es gelang ihm, beträchtliche Geldmittel aufzubringen und in der Stadtverwaltung einen jungen Mann aus dem Süden Frankreichs namens Toulan ausfindig zu machen, der in die Königin verliebt war und alles für sie tun würde. Mein Vater beschloss, sich diesem Mann anzuvertrauen oder vielmehr dessen Stellung im Temple zu benutzen, um die Gefangene zu befreien.
    Da mein ältester Bruder Léon de Sainte-Hermine es leid war, der Sache, an die zu glauben man ihn gelehrt hatte, nicht dienen zu können, erbat er von meinem Vater die Erlaubnis, Frankreich zu verlassen und in die Armee des Prinzen von Condé einzutreten, was er nach erfolgter Erlaubnis unverzüglich tat.
    Unterdessen wurde ein Plan gefasst.
    Noch immer gab es viele Neugierige, darunter auch ergebene Bediente, die von den diensthabenden städtischen Beamten, in deren Zuständigkeit dies fiel, die Gunst erbaten, die Königin zu sehen.

    Da die Königin zweimal täglich hinunterkam und im Garten spazieren ging, verteilten die Beamten ihre Freunde auf dem Weg, den die hohe Gefangene nehmen musste, und wenn der Beamte wegsah, konnte man unter Umständen ein Wort mit ihr wechseln oder ihr einen Brief zustecken.
    Gewiss war all das lebensgefährlich, doch es gibt Augenblicke, in denen man dem Leben keinen großen Wert beimisst.
    Toulan stand in der Schuld meines Vaters; Dankbarkeit und Liebe bewegten ihn dazu, folgendem Plan zuzustimmen:
    Unter dem Vorwand, die Königin sehen zu wollen, sollten meine Eltern, verkleidet als reiche Bauern aus dem Jura, die mit dem Akzent von Leuten aus der Gegen von Besançon sprachen, den Temple aufsuchen und Monsieur Toulan sprechen wollen.
    Toulan würde sie an dem Spazierweg der Königin positionieren.
    Zwischen den Gefangenen im Temple und ihren royalistischen Anhängern gab es eine Vielzahl von Signalen, mit deren Hilfe sie sich verständigten wie Schiffe auf dem Meer.
    Am Tag des Besuchs meiner Eltern hatte die Königin beim Verlassen ihres Zimmers einen Strohhalm vorgefunden, der an der Wand lehnte, was bedeutete: ›Seien Sie wachsam, man hat Sie nicht vergessen.‹
    Die Königin sah den Strohhalm nicht, aber Madame Élisabeth, weniger in Gedanken versunken, sah ihn und machte ihre Schwägerin darauf aufmerksam.
    Die zwei Gefangenen bemerkten, dass Toulan an diesem Tag Dienst hatte.
    Toulan war bis zum Wahnsinn in die Königin verliebt. Diese hatte im Wissen um die Liebe des unglücklichen jungen Mannes auf einen Zettel, den sie immer im Mieder verborgen bei sich trug, die Worte geschrieben: Ama poco che teme la morte! (Wenig liebt, wer den Tod fürchtet!) Als sie Toulan erblickte, steckte sie ihm das Billett zu.
    Ohne zu wissen, was es enthielt, geriet Toulan vor Freude außer sich. Noch am selben Tag würde er

Weitere Kostenlose Bücher