Der Greif
Ornamente
hergestellt hatten, erwartet. Dabei war sie sehr durchdacht konstruiert und außerordentlich kleidsam. Der Harnisch war gefertigt aus einem sehr langen, schlanken Bronzestab, etwa von der Dicke des Kiels einer Adlerfeder, kunstvoll in zwei Spiralen gebogen, die sich in entgegengesetzte
Richtungen wanden. Die linke Spirale bedeckte die linke Brust einer Frau von der Brustwarze auswärts, folgte dann vom Brustansatz abwärts dem Spalt zwischen den Brüsten und wand sich dann um die rechte Brust, um nach mehreren Spiralen auf der Brustwarze zu enden. An beiden Körbchen war jeweils ein Riemen befestigt, die die Trägerin hinter ihrem Rücken zusammenbinden konnte. Auf der Werkbank
des Schmiedes erschien die Konstruktion flach, aber wenn sie angelegt wurde, öffneten sich die Spiralen zu
Armierungen für die Brüste, sowohl zur Dekoration als auch zum Schutz. Mir ging es weniger um die schützende
Funktion als vielmehr darum, meine weiblichen Rundungen hervorzuheben, wenn ich einmal wieder in die Rolle einer Frau schlüpfen würde. Das Brustschild war sehr kostspielig, aber die Möglichkeit, das nächste Mal als Frau noch
weiblicher, wohlgeformter und anziehender auftreten zu können, schien mir diesen Preis wert.
Den größten Teil der nächsten Tage verbrachte ich in der Gesellschaft von Livia, denn Wyrd versank in einer
unerklärlichen, volltrunkenen Verzagtheit. Nur für ein gelegentliches Abendmahl und meine Nachtruhe kehrte ich in die Taverne zurück, und für eine morgendliche Stärkung nahm ich mir gerade eben die Zeit, bevor ich wieder
verschwand. Ab und zu aßen Livia und ich in einer der
anderen Tavernen der Stadt, und einmal speisten wir in der Villa ihres Vaters. Meistens aber waren wir irgendwo weit draußen, wenn uns der Hunger überkam. Dann suchten wir die Hütte eines Holzfällers, Köhlers oder Kräutersammlers auf, dessen Frau uns für ein geringes Entgelt ein Mahl bereitete.
Eines Morgens hatten Livia und ich vor, eine, wie sie
sagte, völlig menschenverlassene Gegend zu erkunden. Ich ging in die Küche und bat die Frau des Wirts, uns einen Korb mit Brot, Käse und Wurst zu packen und meine Flasche mit Milch zu füllen. Während ich wartete, kam Andraias in die Küche und zog mich zur Seite.
»Ach Thorn! Ich sorge mich um unseren Freund Wyrd.
Schon oft war er hier zu Gast, aber niemals habe ich ihn so erlebt. Nun weigert er sich sogar, zu essen. Er ernährt sich nur von Wein und Bier. Er sagt, er sei zu wirr im Kopf, um Essen schlucken zu können. Verstehst du das? Kannst du ihn nicht dazu bewegen, hinaus in die belebenden Wälder zu gehen, an einen See, einfach irgendwohin?«
»Ich habe bereits versucht, ihn zu überreden«, sagte ich.
»Ich kann ihm schlecht befehlen. Wenn ich als Jüngerer ihm als Älteren befehlen würde, würde er sich aufregen und nur noch mehr trinken. Aber du bist fast in seinem Alter,
Andraias. Wenn du ihm einfach zu seinem eigenen Besten nichts mehr ausschenken würdest?«
»Väi! Dann hätte er nicht einmal mehr das bißchen Wein und Bier, das ihn am Leben erhält.«
»Es tut mir leid, aber ich kann nicht helfen«, erwiderte ich.
»Aber ich habe Wyrd schon mehr Tage ununterbrochen
trinken sehen als hier. Am Ende wird er sich elend fühlen und im Bett liegen, reumütig und unerträglich schlecht gelaunt, aber es wird aufhören.«
An den meisten Tagen holte ich Velox aus dem Stall und ritt hoch zur Mine. Wenn Livia und ich zu Fuß aufbrachen, ließ ich Velox in der Gesellschaft der Maulesel des
Bergwerkes zurück, aber wenn wir einen längeren Weg vor uns hatten, ritten wir, sie hinter mir auf Velox' Rücken sitzend. Ich hatte stets meine Schleuder dabei und
versuchte, Livia in ihrem Gebrauch zu unterweisen. Mit geringem Erfolg allerdings, und so war ich es, der Hasen, Eichhörnchen, Kaninchen und Rebhühner zur Strecke
brachte. Wir teilten die Beute, sie überließ ihren Anteil ihrem Familienkoch zur Zubereitung, während ich den meinen zur Taverne brachte, wo sich sowohl Andraias und seine Frau als auch ich selbst über Wild als eine Abwechslung von ihren Fischgerichten freuten. Aber Wyrd ließen selbst solche Köstlichkeiten kalt, auch wenn er vergleichsweise nüchtern und bei klarem Verstand war.
»Ich kann einfach nicht schlucken«, wehrte er sich. »Das Alter hat nicht nur meinen Geist, meine Sinne und meine Lebenslust getrübt, sondern mir auch die Kehle
zugeschnürt.«
»Jesus«, sagte ich, »so wie du den Wein in
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