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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Frau der gehobenen Gesellschaft hätte ich mich
    nachts niemals allein auf die Straße wagen können. Aber als eine aus der Plebecula erfreute ich mich einer sehr viel größeren Freiheit, mich zu welcher Stunde auch immer
    wohin auch immer zu begeben Natürlich konnte ich mich
    nicht in eine Taverne setzen und Bekanntschaft mit
    Zechbrüdern vom Schlage Wyrds schließen. Natürlich
    bestand auch die Gefahr, daß Männer mich ansprechen
    oder ein Trunkenbold sich an mich heranmachen würde
    wenn ich nachts allein durch die fackelbeleuchteten Straßen ging. Aber eine schlagfertige Antwort reichte meist aus, einen Störenfried zu entmutigen. Und sollte das nicht
    ausreichen, so würde es mir ein Leichtes sein, ihn mit einer gebrochenen Nase oder einem eingeschlagenen Zahn - und neugewonnenem Respekt vor den Frauen - zu Boden zu
    schicken. Aber das gemeine Volk Vindobonas war viel
    gesetzestreuer und hilfsbereiter, als es sein Ruf in den besseren Kreisen hätte erwarten lassen. Obwohl ich viele Freunde gewann, traf ich nie jemanden, zu dem ich mich so hingezogen gefühlt hätte wie zu Gudinand. Wann immer ich also fleischliche Gelüste verspürte, verwandelte ich mich in Thornareichs und klopfte bei einer meiner Bekannten in den feinen Vierteln der Stadt an.
    Nach einer Woche »Arbeit« beglich ich den Wucherpreis, den ich Dengla für die nächste Woche schuldig war. Zufällig hatte ich die Nacht davor nicht in meiner Kammer, sondern bei einer sehr jungen Clarissima verbracht, deren Eltern nicht in der Stadt waren. Dengla bedachte mich mit einem anzüglichen Lächeln und der schlüpfrigen Bemerkung, daß sie es in Ordnung finde, daß ich mein Auskommen mit einer
    »Nebenbeschäftigung« aufbesserte. »Ich bin keineswegs
    der Ansicht der tugendhaften Leute, die nur zu gerne daran glauben, daß eine Ipsitilla ihren Körper verkauft. Eine Ipsitilla gibt sich nicht mehr als irgendeine beliebige Dame her. Sie wird mit Geld dafür belohnt, sich selbst aus freien Stücken herzugeben, ganz genauso wie die sittenstrengste,
    verheiratete Frau. Denk' daran, wenn du dich jemals deiner selbst schämen solltest, junge Veleda. Ich tue es, denn auch ich habe mich einmal, ganz genau einmal, gehen lassen. Mit einem haarigen Sueben namens Denglys. Dieses eine Mal
    reichte, um mir die Männer auf immer und ewig zu verleiden.
    Natürlich nahm ich alles, was ich in seinen Taschen fand, als ich mich von ihm wegstahl. Später entschloß ich mich, selbst seinen Namen zu nehmen. Ein Name, der mehr hermacht« -
    sie kicherte gekünstelt - »als die anderen
    Namen, die ich zuvor trug. Was mir wirklich blieb von
    dieser einen Ausschweifung sind die da.«
    Sie deutete auf ihre Zwillingssöhne, die erschreckt
    zusammenfuhren.
    »Falls du aber nicht mit Fruchtbarkeit geschlagen bist, Veleda, und keinen Abscheu vor Männern empfindest, dann vergnüge dich mit ihnen, soviel du willst. Achte jedoch darauf, auch noch den letzten Nummus aus ihnen
    herauszupressen. Die Priester, Prediger und Philosophen, natürlich alles Männer, wollen, daß alle, und besonders alle Frauen, die sieben Kardinaltugenden als unverletzliches Erbe verehren, das von der Mutter an die Tochter
    weitergegeben wird. Aber wir Frauen wissen es besser. Die Tugenden taugen nur zum Versteigern, entweder an den
    ersten oder an den höchsten Bieter. Ich für mein Teil
    weigere mich, gewinnbringende Handlungen als unmoralisch zu betrachten. Und dir, Veleda, will ich beistehen, als wärst du meine eigene, liebste Tochter. Ich kenne Tricks, die dich noch schöner werden lassen und so den Preis deines
    Körpers in die Höhe treiben. Beispielsweise solltest du ein in Thymianöl getränktes Tüchlein mit dir tragen, wenn du
    nachts ausgehst. Triffst du einen möglichen Freier,
    schwenke das Tüchlein vor deinem Gesicht. Sofort werden deine Augen glänzend und leuchten einladend. Außerdem -«
    »Mein Körper ist keine Ware, Caia Dengla«, unterbrach
    ich ihren Redefluß. »Ich verdiene jeden Nummus durch
    ehrbare Arbeit. Und sollte ich jemals Mutter werden, wäre ich stolz, zwei so liebenswerte Söhne mein eigen zu
    nennen.«
    »Liebenswert!« schnaubte sie. »Hätte ich zwei Töchter, ja, die würden mich jetzt voller Wollust lieben.« Dabei schnalzte sie mit der Zunge. »Aber die da? Von ihrer Geburt an, da ich mich dazu hergeben mußte, ihnen Amme zu sein, stieß mich ihr Anblick zurück. Zwei kleine, an meinen Brustwarzen saugende Männlein igitt! Doch ich konnte sie nicht
    verkaufen, weder

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