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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Himins«, brummelte Almarich. »Dann fürchte
    ich, daß Eure Botschaften alles andere als geheim sind.
    Diese Frau hat ganz sicher jede einzelne Nachricht geöffnet und gelesen und den Inhalt weitergeleitet oder sonstwie Nutzen daraus geschlagen.«
    »Ihr schätzt«, lachte ich, »diese Dengla nicht sehr hoch.«
    »Nicht nur ich, Eure Hohheit. Jeder hier in Vindobona, ob vorehm oder gemein. Sie stiehlt nicht nur, sie spioniert auch die delikaten und pikanten Heimlichkeiten bedeutender
    Bürger aus und preßt mit der Drohung, diese beschämenden Geheimnisse weiterzugeben, viel Gold aus ihnen heraus.
    Manche sagen, sie wende dafür die schwärzesten Künste
    der Hexerei an. Kein Mensch weiß, wie sie alles
    herausbekommt, aber jedenfalls weiß sie so viel über die Magistrate und Legislatoren Vindobonas, daß keiner es
    wagt, sie aus der Stadt zu verjagen, auch wenn sie es noch so sehr verdient hätte. Wie dem auch sei, ich hoffe, daß Ihr Euch nun fern von ihr haltet, wo Ihr das wißt.«
    »Ni allis«, lachte ich wieder. »Ihr habt meine Neugier eher angestachelt. Ich bin immer begierig, Neues zu lernen. Ein kurzer Blick auf eine Person, die ein solch korruptes
    Gewerbe betreibt, könnte sich als lehrreich erweisen.«
    4
    Der Aufenthalt bei der Widuwo Dengla sollte sich in der Tat als lehrreich erweisen, doch ich würde nur sehr ungern jemandem das weitergeben, was ich dort lernte. An dem
    Morgen, als ich an ihrer Tür anklopfte, hatte ich mein Äußeres auf meine neue Rolle und niedrige Abstammung
    eingestellt. Ich trug meine ältesten und schäbigsten
    Gewänder und hatte ein paar wenige Habseligkeiten in
    einem Tuch zusammengebunden. Die verzogene,
    zersplitterte Tür wurde einen Spalt breit von einer knochigen, alten Frau, ungefähr in Amalrichs Alter, geöffnet. Ihre Kleidung war etwas besser als die meine, doch keineswegs die einer Patrizierin. Der fahle Teint ihres
    Pfannkuchengesichtes war übertüncht mit dicken Lagen von Algen, chiantischer Erde und Mastix. Ihr Haar hätte wohl das erste Grau gezeigt, hätte sie es nicht mit Extrakten aus Ochsenzunge rot getönt.
    »Caia Dengla«, begrüßte ich sie respektvoll. »Ich bin neu in Vindobona und suche für einige Wochen eine Unterkunft.
    Man hat mir gesagt, Ihr würdet gelegentlich Kammern
    vermieten.«
    Sie schaute mich von oben bis unten an, sehr viel
    eingehender, als ich sie betrachtet hatte. Dann, noch bevor sie meinen Namen wissen wollte, fragte sie: »Kannst du überhaupt bezahlen, Mädchen?«
    Ich streckte meine Hand aus, in der ich einige silberne Siliquae hielt. Ihre Augen leuchteten gierig auf, doch sie schnaubte verächtlich: »Gerade genug für eine Woche Kost und Unterkunft.«
    Ich verlor kein Wort über den unverschämten Preis,
    sondern sagte schüchtern: »Ich hoffe, bald mehr zu
    verdienen.«
    »Mit Hurerei?« schnappte sie. Offensichtlich hatte sie aber weniger moralische Bedenken, denn sie fügte hinzu: »Falls du vorhast, deinen Freiern hier zu Gefallen zu sein, mußt du mehr bezahlen. «
    »Ich bin keine Ipsitilla, Caia Dengla«, sagte ich
    zurückhaltend, ohne irgendwelche Verärgerung oder
    Belustigung zu zeigen. »Wie Ihr selbst bin ich in jungen Jahren verwitwet. Diese wenigen Siliquae sind alles, was mein Ehemann mir hinterließ. Doch kenne ich mich mit der Verarbeitung von Fellen aus und hoffe, hier irgendwo eine Anstellung zu finden.«
    »Komm herein. Wie heißt du, Mädchen?«
    »Veleda«, antwortete ich. Dieser aus der alten Sprache entlehnte Name bedeutet »Enthüllerin der Geheimnisse«
    und geht auf eine alte germanische Dichterin und Priesterin zurück. Ich hatte mir geschworen, niemals mehr den Namen der Juhiza, die Wyrd geliebt hatte und Gudinand zu Willen gewesen war, zu tragen.
    Denglas Haus war zwar bei weitem nicht vergleichbar mit Amalrichs opulenter Herberge, aber von innen sah es sehr viel luxuriöser aus als von außen. Natürlich wurde ich nicht in den guteingerichteten Wohngemächern untergebracht,
    sondern mußte mich mit einer im ersten Stock gelegenen, sehr engen und kärglich eingerichteten Kammer begnügen.
    Aber für meine Bedürfnisse würde sie genügen.
    »Falls du dich über mich erkundigt hast, hat man dir
    sicherlich auch gesagt, daß ich stehle«, sagte Dengla ohne jegliches Schamgefühl zu mir. »Gib nichts darauf. Du
    brauchst dich um deine Habseligkeiten nicht zu sorgen. Ich bestehle nur Männer. Aber, unter uns Schwestern, tun wir das nicht alle?«
    »Ich hatte dazu noch keine Gelegenheit«,

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