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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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als Eunuchen, dafür waren sie nicht
    hübsch genug, noch als Sklaven, dafür waren sie nicht
    intelligent genug. Bacchus sei Dank, bald haben sie ihr zwölftes Jahr erreicht, und ich werde sie endlich los sein.«
    Dengla glaubte einfach nicht, daß ich alles andere als eine billige, sich an Straßenecken die Beine in den Bauch
    stehende Dirne war, um so weniger, als ich wenigstens eine Nacht pro Woche nicht nach Hause kam. Nach der lüsternen Art und Weise, wie Dengla von ihren nicht vorhandenen
    Töchtern sprach, neigte ich , anzunehmen, sie und Melbai seien lesbische Schwestern. Doch sah ich sie nie einander zärtliche Blicke zuwerfen, verliebt miteinander sprechen oder sich gar berühren. Und, soviel ich wußte hielten sie sich auch nie längere Zeit allein in einem Raum auf. jeden
    Freitagabend jedoch gingen sie gemeinsam aus und blieben über Nacht weg. Was sie in dieser Zeit trieben, interessierte mich nicht im geringsten, und auch Dengla bot mir keine weiteren Ratschläge bezüglich meiner eigenen nächtlichen Ausflüge mehr an. So verliefen die nächsten Wochen meiner Doppelexistenz ruhig und ohne Zwischenfälle.
    In der Karwoche besuchte ich mehrere Male die arianische Kirche in Vindobona, um herauszufinden, worin der
    Gottesdienst der arianischen Christen sich von dem der Katholiken unterschied. Der Priester, Tata Avilf, war ein Ostgote. Alle ihm beistehenden Diakone, Subdiakone und Akolythen gehörten der einen oder anderen germanischen Nation an. Nicht im entferntesten ähnelten sie irgendwelchen tobenden Barbaren, sondern sie verrichteten die Rituale so gütig, farblos und eingefahren, ja lethargisch, wie jede vergleichbare Gruppe katholischer Geistlicher.
    Am Osterfeiertag sollten fünf Täuflinge in die christlichen Mysterien eingeweiht werden. Der Priester vollzog die Taufe genauso, wie ich es so oft in der Kapelle von St. Damian gesehen hatte. Nur wurde hier jeder Täufling dreimal in das Taufwasser getaucht, nicht nur einmal wie bei den
    Katholiken. Am Samstag nach Ostern bat ich Tata Avilf um eine Audienz. Ich gab vor, eine Katholikin zu sein, die mit dem Gedanken spielte, zum Arianismus überzutreten, und bat ihn, mir den Unterschied der Taufzeremonien zu
    erklären.
    »Meine Tochter«, fing er an, »in den frühen Tagen des
    Christentums wurden alle Täuflinge dreimal in das
    Taufwasser getaucht. Erst als der Arianismus aufkam,
    änderten die Katholiken ihre Liturgie und machten daraus ein einmaliges Eintauchen. Aus dem einfachen Grund, weil sie ihren Glauben von dem unseren abheben wollten. Aus demselben Grund ging die Kirche auch vor langer Zeit dazu über, den Sabbat am Sonntag, statt wie die Juden
    samstags, zu begehen und Ostern nicht auf ein bestimmtes Datum festzulegen, um es von dem an einem festen Datum gefeierten jüdischen Passah-Fest zu unterscheiden. Aber wir Arianer legen auf solche Unterschiede keinen Wert. Jesus, so glauben wir, wünschte, daß seine Anhänger
    Großherzigkeit und Toleranz praktizieren und nicht in
    Sektierertum verfallen. Caia Veleda, solltest du dich in dieser Minute entscheiden, zum Judaismus zu konvertieren, oder dich gar dem Heidentum unserer Vorfahren zuwenden, so
    würde ich dir viel Glück auf deinem Weg wünschen und dich ziehen lassen.«
    »Aber«, wandte ich erstaunt ein, »der Heilige Paulus hat doch gesagt: ›Predige das Wort, stehe dazu, es sei zur Zeit oder zur Unzeit; weise zurecht, drohe, ermahne mit aller Geduld und Lehre (...) tu das Werk eines Predigers des Evangeliums, richte dein Amt redlich aus.‹ (l.Timotheus 4,2
    und 4,5) Wollt Ihr nicht einmal versuchen, mich davon
    abzuhalten, der christlichen Kirche den Rücken zu kehren?«
    »Ne, ni allis. Solange du ein tugendhaftes Leben führst, meine Tochter, und niemandem Schaden zufügst, glauben
    wir Arianer, daß du dem gehorchst, was der Heilige Paulus
    ›Das Wort‹ nannte.«
    Als ich nach dem Gespräch mit Tata Avilf durch die
    Straßen wanderte, sah ich zufällig Dengla und Melbai aus einem dem Bacchus geweihten Tempel herauskommen. Die
    vielen Frauen und wenigen Männer, die aus dem Tempel
    kamen, verbargen ihre Gesichter unter ihren Gewändern
    und blickten sich vorsichtig um, bevor sie zu zweit oder zu dritt über die Straße huschten und eilig verschwanden. Aber an ihrem roten Haar erkannte ich Dengla. Diese
    Vorsichtsmaßnahmen waren nicht unangebracht. Denn
    selbst unter den unbekehrbarsten Heiden galt die Anbetung des Bacchus seit langem als lästerlich und abstoßend. Die

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