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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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murmelte ich
    leise.
    »Wenn du lange genug bleibst«, sagte sie sehr bestimmt,
    »dann werde ich es dir schon noch beibringen. Zur Zeit habe ich leider keine anderen Gäste, an denen du dich versuchen könntest. Aber keine Sorge, es gibt andere Gelegenheiten, und ich werde dich vieles lehren, woraus du Nutzen und Gewinn ziehen kannst und was dir sogar Spaß macht. Du
    wirst es nicht bereuen, hier Quartier genommen zu haben, Caia Veleda. Gib mir nun deine Siliquae. Aber denk' daran, nicht einen Nummus werde ich dir zurückerstatten, solltest du vor Ablauf der Woche deine Meinung ändern.«
    »Warum sollte ich das?«
    Ihr Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse: »Einmal, nur ein einziges Mal, habe ich einen Fehltritt begangen und wurde gleich doppelt dafür bestraft. Ich habe Zwillingssöhne, die ich noch nicht loswerden konnte. Sie leben hier.«
    »Es macht mir nichts aus, wenn Kinder im Haus sind.«
    »Aber mir«, zischte sie. »Hätte ich nur Töchter geboren!
    Die wären jetzt in einem Alter, in dem... in dem sie mir Nutzen und Freude bereiten würden. Aber Jungen! Was sind Jungen anderes als kleine Männer? Bestien!«
    Da das Prandium schon bald serviert werden würde, stieg ich in meine Kammer hoch, packte meine Sachen aus und
    verstaute sie. Dann ging ich hinunter. Ich war nicht sehr überrascht, daß die Witwe, trotz ihrer nach außen
    bekundeten Armut, eine Dienerin beschäftigte, die kochte und am Tisch aufwartete. Die Dienerin war eine
    dunkelhäutige Frau namens Melbai, etwa so alt wie ihre Herrin und mit einem genauso reizlosen Gesicht, auf das sie aber keine Pflaster und Puder auftrug. Was einer Dienerin natürlich auch nicht angestanden hätte.
    Als sie mir vorgestellt wurde, sagte ich, nur um freundlich zu sein: »Melbai? Das ist doch ein etruskischer Name,
    oder?«
    Sie nickte unwirsch. »Das Wort ›Etrusker› ist lateinisch.
    Wir mögen es nicht, wenn man uns so nennt. Wir selbst, deren Rasse viel älter als die der Römer ist, nennen uns Rasna. Ich bin eine Rasna! Versuche, dich das nächste Mal daran zu erinnern, kleine Veleda.«
    Ich war sehr verblüfft, eine Dienerin so mit einem
    zahlenden Gast reden zu hören. Sie saß auch mit uns am Tisch und kommandierte die beiden Söhne Denglas herum.
    Mehrmals hörte ich, wie sie mit ihrer angeblichen Herrin ganz ungezwungen sprach.
    Mit der Zeit ging mir auf, daß man Melbai nicht unbedingt als Dienerin bezeichnen konnte, und Dengla nicht unbedingt als ihre Herrin. Aber es dauerte noch, bis mir klar wurde, welcher Art die Beziehung zwischen beiden wirklich war.
    Denglas Söhne waren die eigentlichen Diener oder
    Sklaven in diesem Haushalt. Robein und Fillipus, noch keine zwölf Jahre alt, waren, wie anders kaum zu erwarten, alles andere als hübsch oder intelligent. Doch sie führten sich bei Tisch und den wenigen anderen Gelegenheiten, da ich sie zu Gesicht bekam, ordentlich auf. Man sah oder hörte sie kaum, denn entweder mußten sie die Befehle ihrer Mutter und Melbais ausführen, oder sie wurden angeherrscht, sie sollten verschwinden.
    An meinem zweiten Tag bei Dengla verließ ich das Haus
    schon früh morgens unter dem Vorwand, bei einem
    Kürschner um Arbeit nachzufragen. Wahrscheinlich hätte ich sogar, wenn ich wirklich gewollt hätte, Arbeit gefunden. Aber alles, was ich wollte, war, die Stadt mit neuen Augen zu betrachten. Es überraschte mich, wie viele Dinge ich als Veleda sah, die ich als Thornareichs übersehen hatte. Jetzt, da ich eine aus dem Volk war und nicht aus herrschaftlichen Höhen herabschaute, konnte ich die Leute bei ihren
    Tätigkeiten beobachten, ohne daß sie, was auch immer sie gerade taten, innehielten, um mich zu grüßen und mir den Weg freizumachen oder eine bettelnde Hand
    entgegenzustrecken. Jetzt schenkten sie mir keinerlei
    Beachtung und fuhren einfach mit ihrem Tagwerk fort.
    Als ich an diesem Abend zurückkehrte, erzählte ich
    Dengla, daß ich eine Anstellung bei einem Kürschner
    gefunden hätte und, da ich in diesem Handwerk so geschickt sei, pro Fell bezahlt werden und also mehr als den üblichen Hungerlohn verdienen würde. Das würde es mir, sagte ich, ermöglichen, die nächste Zeit die Kammer bei ihr zu
    behalten. Dengla gratulierte mir ehrlich erfreut - wohl weil diese Nachricht ihrer geldgierigen Natur sehr gelegen kam.
    Als ich nach dem Cena sagte, ich würde noch etwas
    ausgehen und »Ablenkung suchen« nach diesem Tag harter Arbeit, schenkte sie mir sogar ein wissendes, zustimmendes Lächeln.
    Als

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