Der Greif
brauchen, bis er mit
den schweren Belagerungsmaschinen hier eintrifft, und nur der liebe Gott weiß, ob wir bis dahin durchhalten können.
Wir leben zur Zeit buchstäblich von Pferdefleisch und
Pferdefutter. Da die Sarmaten ihre Pferde nicht mehr
brauchten, als sie erst einmal in der Stadt waren, haben sie auch nicht daran gedacht, die in den Außenbezirken der Stadt lagernden Vorräte an Hafer, Heu und Kleie hinter die Mauer zu schleppen; und von diesem schmackhaften
Proviant ernähren wir uns im Augenblick. Das einzige
nahrhafte Fleisch, das wir zu essen bekommen, schneiden wir aus den Pferden heraus, die während eines
Erkundungsritts getötet werden.«
Plötzlich begann uns beiden der Magen laut zu knurren, als ob er durch diese letzten Worte dazu angeregt worden wäre. Das Mädchen hörte es, errötete und eilte aus dem Raum.
Theoderich fuhr mit seiner Erzählung fort: »Ich könnte meinen Männern befehlen, die massiveren Hütten
niederzureißen und aus dem Holz Belagerungstürme zu
bauen, aber nach einer solchen Anstrengung wären sie zu schwach, um die Türme zu besteigen oder gar von ihnen
aus zu entern und zu kämpfen. Ich habe noch weitere
Möglichkeiten in Erwägung gezogen.« Er zeigte auf die
beschriebenen Dokumente auf dem Tisch. »Ich habe mir
überlegt, daß wir die Mauern an der Westseite der Stadt unterhöhlen könnn und zwar an der Stelle, wo sie auf diese Klippe gebaut sind; aber es handelt sich tatsächlich um eine schroff abfallende Klippe und nicht um einen Felsvorsprung, auf dem noch viel Platz zum Stehen wäre. Es besteht also keine Möglichkeit, die grabenden Männer zu schützen, und sicher halten die Sarmaten auch Fässer mit kochendem
Wasser, Öl oder Teer bereit, um einen derartigen Versuch abzuwehren.«
»Apropos Vorsprung«, sagte ich, »mir fiel auf, daß das Tor zur Innenstadt tief in einen Gewölbebogen in der Mauer eingelassen ist und daß der Zugang aus irgendeinem
unerfindlichen Grund nicht durch ein Fallgitter blockiert werden kann. Es existiert auch keine anderweitige
Gittervorrichtung, die Belagerer der Stadt daran hindern könnte, direkt bis zum Tor vorzudringen. Ein paar Krieger hätten unter dem Mauerbogen vor dem Tor Platz, wo die
Sarmaten sie weder mit heißem Öl noch mit Geschossen
erreichen können.«
»Und was dann? Sollen sie sich mit ihren Schultern gegen das Tor stemmen?« Theoderich verzog skeptisch das
Gesicht. »Es muß dir doch auch aufgefallen sein, wie massiv es gebaut ist. Kein frisch gefällter, nicht abgelagerter Baumstamm wäre stabil genug, um es zum Splittern zu
bringen, sonst hätte ich das schon versucht. Auch ist das Tor so alt und hart, daß es ein halbes Leben brauchen
würde, bis ein Feuer sich hindurchgefressen hätte. Um es einzubrechen, benötigt man einen eisenbeschlagenen und mit Ketten versehenen Rammbock mit einer Spitze aus
massivem Eisen. Mein Versorgungszug wird uns einen
solchen Rammbock mitbringen. Aber wann?«
Das Mädchen kam wieder in den Raum zurück und setzte
zwei dampfende Schüsseln auf den Tisch. Theoderich warf ihr einen dankbaren Blick zu, der sie erneut erröten ließ, und bedeutete mir, ich solle auf der Bank ihm gegenüber Platz nehmen. Er begann sofort, heißhungrig aus seiner Schüssel zu essen, ich dagegen schaute zuerst in meine hinein, um zu sehen, was uns da serviert worden war. Es war ein
klebriger, mit Wasser gekochter Haferschleim, der, wie ich beim Probieren feststellte, nicht einmal gesalzen war. Ich bedauerte zutiefst, den Rest der guten Lebensmittel aus Vindobona, die Amalrich auf Oppas' Kahn geladen hatte, nicht mit hierher gebracht zu haben. Theoderich hörte einen Moment lang auf zu schlürfen und sagte zu mir: »Rümpf
nicht deine Nase über diese Mahlzeit; die niedrigeren Ränge erhalten nur Kleiehülsen.«
Also löffelte ich den Brei in mich hinein und versuchte, dankbar zu sein, unter den gegebenen Umständen
überhaupt irgend etwas zu essen zu haben. Plötzlich rief mir der klebrige Brei einen lange zurückliegenden Vorfall wieder ins Gedächtnis, der mich auf eine Idee brachte; ich beschloß jedoch, Theoderich noch nichts davon zu erzählen, bevor ich nicht genauer darüber nachgedacht hatte.
Ich sagte jedoch zu ihm: »Ich möchte dir gerne helfen, soweit ich nur kann - bei der Belagerung, auf den
Erkundungsstreifzügen, wo immer du es wünschst.«
Er wischte sich den Mund ab und grinste. »Ich glaube, du hast uns schon etwas geholfen«, sagte er, »mindestens die
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