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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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nicht schon geschehen ist, aber ich bin gerne behilflich, wo ich nur kann. Wenn man uns zu deinem Oberbefehlshaber
    vorlassen würde, dann könnte dieser mir vielleicht einen Posten zuweisen...«
    Thiuda grinste und sagte: »Du hast bereits deine
    Feuertaufe im Kampf bestanden, Thorn. Du solltest nicht allzu erpicht darauf sein, mit Blut beschmiert zu werden. Laß mich dich zuerst unserem Waffenmeister Ansila vorstellen, damit er dir und deinem Streitroß die richtige Ausrüstung verpassen kann. In der Zwischenzeit muß ich meine
    verwundeten Männer zum Lekeis begleiten und dafür
    sorgen, daß sie gut verarztet werden.«
    Wir hielten also an der Werkstatt eines einheimischen
    Waffenschmieds an. Er arbeitete unter der Aufsicht eines stämmigen, rauschebärtigen Ostgoten mittleren Alters, zu dem Thiuda sagte:
    »Gustos Ansila, das ist Thorn, mein Freund und
    gleichzeitig ein neuer Rekrut. Laß seine Maße für eine komplette Ausrüstung nehmen - mit Helm, Rüstung, Schild, Lanze und allem, was ihm sonst noch fehlt. Sein Pferd muß ebenfalls ausgestattet werden. Sorge dafür, daß der
    Schmied sich sofort an die Arbeit macht. Anschließend
    zeigst du Thorn meine Wohnstätte. Habäi ita swe!« Ansila grüßte wortlos und Thiuda sagte zu mir: »Ich werde dich später dort treffen, dann können wir uns weiter unterhalten.«
    Kurz darauf war er verschwunden.
    Während der Schmied mit einem Stück Schnur den
    Umfang meines Kopfes und meiner Brust, die Länge meiner Beine und so weiter maß, beäugte der Wachmann Ansila
    mich neugierig und sagte schließlich:
    »Er nannte dich seinen Freund.«
    »Ach, als wir uns zum ersten Mal trafen, waren wir beide nur einfache Waldbewohner«, sagte ich beiläufig.
    »Was, ihr beide wart nur einfache Waldbewohner?«
    »Ich muß zugeben, daß Thiuda es seitdem in der Welt
    weit gebracht zu haben scheint«, fuhr ich fort. »Er gibt Befehle, als ob jeder an dieser Belagerung beteiligte Mann unter seinem Kommando stünde und nicht nur eine einzige Schwadron.«
    »Du weißt also nicht, wer unser Befehlshaber ist?«
    »Nein... warum?« sagte ich und wurde mir dabei bewußt, daß ich darüber noch gar nicht nachgedacht hatte. »Ich hörte, daß euer König Theudemir vor kurzem starb, weiß jedoch nicht, wer sein Nachfolger wurde.«
    »Theudemir - so sprechen die Alemannen und die Leute
    aus Burgund seinen Namen aus«, sagte Ansila auf eine
    schulmeisterliche Art, die mich an meine Klosterlehrer erinnerte. »Wir nannten unseren König Thiudamer, wobei die Nachsilbe mer natürlich ›der Bekannte‹ oder ›der Berühmte‹ bedeutet; Thuidamer heißt also: der Berühmte aus dem Volk. Er wäre berechtigt gewesen, seinem Namen die ehrenvolle Nachsilbe reikhs hinzuzufügen, die ›der Herrschende‹ bedeutet. Viele Jahre lang regierte er jedoch zusammen mit seinem Bruder Wala über uns Ostgoten,
    daher nannten sie sich bescheiden Thiudamer und
    Walamer, was soviel heißt wie: der Berühmte aus dem Volk und der Berühmte von den Auserwählten. Auch als Walamer in der Schlacht umkam, war sein Bruder immer noch so
    bescheiden, daß er sich weigerte, seinen Namen zu ändern und sich einen höheren Titel zuzulegen. Nun aber, nachdem Thiudamer gestorben ist und sein Sohn der einzige und
    alleinige König...«
    »Moment mal«, sagte ich - langsam begann ich zu
    begreifen -»wollt Ihr damit sagen, daß mein Freund
    Thiuda...?«
    »... der Sohn und Nachfolger Thiudamers ist und auch
    dessen Namen trägt. Er ist der König der Ostgoten und
    natürlich auch unser Oberbefehlshaber. Er ist Thuidareichs, der Herrscher des Volkes. Oder wie man diesen Namen in deinem Dialekt oder in deiner Sprache auch immer
    aussprechen mag. Die Römer und die Griechen nennen ihn zum Beispiel Theoderich.«
    2
    Das Haus, das Theoderich in Singidunum zu seiner
    Residenz und zu seinem Feldherrenquartier erkoren hatte, lag in der Nähe der Mauern zur Innenstadt. Nachdem ich Velox dort angebunden hatte, wo auch die anderen Pferde der Truppe standen, näherte ich mich dem Gebäude zu Fuß und sah, daß gerade wieder eines der Störmanöver im
    Gange war, mit denen die Ostgoten immer wieder ihre
    Feinde zu zermürben versuchten. In Reihen aufgestellte Krieger schössen entweder gewöhnliche Pfeile oder solche mit brennenden Spitzen ab; andere benutzten Schleudern, um faustgroße Steine oder brennende Bälle aus
    ölgetränktem Flachs auf der anderen Seite der Mauer
    niedergehen zu lassen. Von den Zinnen und Türmen des
    Festungswalls

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