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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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öffnete sich das Tor jedoch ein wenig nach innen; durch den Spalt, der nur ungefähr drei Hand breit war, konnte ich sehen, daß hinter dem Tor ein reges Treiben herrschte. Wir sollten tatsächlich bald
    begreifen, daß dort in diesem Moment mehrere Dinge
    gleichzeitig vor sich gingen. Nachdem unsere neun Manner durch das Tor gesprungen waren, fanden sie sich
    tatsächlich, wie Theodench vermutet hatte, zwischen zwei Toren wieder, von denen das hintere fest verschlossen war; dennoch machten sie sich wie befohlen daran, die zwei
    riesigen Querbalken hinter dem vorderen Tor aus ihren
    Verankerungen in der Steinmauer sowie aus ihren
    Halterungen auf den Torflügeln zu hieven. Die Manner
    hatten gerade begonnen, die Torflügel aufzustoßen, als sich das innere Tor auf wundersame Weise ebenfalls öffnete. Die sarmatischen Wachen hatten sich ausgerechnet in diesem ungunstigen Augenblick dazu entschlossen, das innere Tor zu öffnen um den fremdartigen Geräuschen auf den Grund zu gehen, daß sie dahinter vernommen hatten.
    Genau zu dieser Zeit traf unser Sturmbock den Spalt, der sich wischen den Torflügeln des äußeren Tors geöffnet
    hatte. Die Torflügel flogen nach innen und prallten gegen die Seitenwände des Torbogens. Die Wucht des angreifenden
    Sturmbocks war so groß, daß das innere Tor ebenfalls
    aufgebrochen wurde. Durch den vorwärtsschießenden
    Sturmbock und die auffliegenden, schweren Torflügel
    entstand drinnen ein Tumult von zur Seite geschleuderten, zerquetschten, stürzenden und um sich schlagenden
    Menschen. Die Menge schrie, fluchte und kreischte laut durcheinander. Was mir jedoch am meisten ins Auge stach, war etwas, das wie ein plötzlich aufkommender kleiner
    Schneesturm aus glitzerndem Metall aussah - alle meine Trompeten von Jericho wurden in die Höhe, zur Seite und in alle Richtungen geschleudert.
    »Lanzenreiter, schließt euch mir an!« schrie Theoderich und stürmte, ohne auf sie zu warten, sofort auf das Tor los.
    Er kümmerte sich nicht um die Pfeile, die von der Mauer herunterflogen, und ließ sein Pferd mit einem Satz über die Körper der beiden Sturmbockträger hinwegsetzen, die von diesen Pfeilen zu Fall gebracht worden waren.
    Sein Kampfeseifer hätte mich beinahe dazu verleitet, ihm nachzulaufen. Ich hielt mich jedoch zurück und wartete, bis zuerst die Lanzenreiter, dann die Bogenschützen und
    danach zwei oder drei Schwadronen unberittener
    Schwertkämpfer an mir vorbei gestürmt waren. Die
    Fußtruppen hielten ihre Schilde über den Kopf um sich
    gegen die Flut von Pfeilen zu schützen. Ich wartete, bis meine eigene Schwadron anrückte, und als ich mich ihr
    anschloß, grinste ich unseren Optio Daila breit,
    triumphierend und strahlend an.
    4
    Es ist mir nicht möglich, die ganze Schlacht um
    Singidunum zu schildern. Wie jeder andere an ihr beteiligte Krieger erinnerte ich mich lediglich an das, was mir selbst in ihrem Verlauf zugestoßen war.
    Als unsere Schwadron in Viererkolonnen mit über den
    Kopf gehaltenen Schilden auf das zerstörte Tor zurannte, flogen bereits viel weniger Pfeile von der Mauer herab. Wir mußten dafür über viele Menschenkörper hinwegsteigen, die leblos oder verletzt auf dem freien gepflasterten Platz vor dem Tor und unter dem tunnelähnlichen Torbogen lagen,
    durch den man in die Stadt gelangte. Sobald wir hinter der Mauer waren, löste sich unsere Schwadron auf, und jeder von uns war nun auf sich selbst gestellt.
    Während wir in die Stadt vordrangen, stießen wir auf
    keinerlei organisierte Gegenwehr. Falls dort zuvor eine geschlossene, schwerbewaffnete Schlachtreihe aufgestellt worden war, um unseren Einmarsch aufzuhalten, so hatten Theoderich und seine Lanzenreiter diese erfolgreich
    auseinandergesprengt. Darüber hinaus hatten seine
    Bogenschützen mit Leichtigkeit die meisten der Sarmaten auf dem Mauerabschnitt über dem Tor heruntergeschossen, da diese dort oben nur auf einem Holzgerüst gestanden
    hatten, an dessen Rückseite keine Schutzverkleidung
    angebracht war. In der Nähe des Eingangs und am Fuße der Mauer lagen noch mehr Menschenkörper herum. Unter
    ihnen waren jedoch mindestens doppelt so viele Sarmaten wie Ostgoten.
    Bald kamen wir an einen der größeren Plätze der Stadt, auf dem sich einige Krieger einen erbitterten Kampf lieferten.
    Mit den Ellbogen kämpfte sich Daila in die Mitte des
    Kampfgetümmels, und ich folgte ihm nach. Sechs oder
    sieben Ostgoten duellierten sich mit ungefähr ebenso vielen Sarmaten, die einen

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