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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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sich ebenso überzeugend tot stellen.«
    »Beim Hammer Thors, kleiner Käfer«, sagte Daila mit
    etwas derbem Humor, »du solltest immer eine viel zu große Rüstung tragen! Vielleicht sollten wir das alle.«
    »Es wäre sehr schade gewesen«, fuhr Theoderich fort,
    »wenn du nicht mehr miterlebt hättest, wie wir die ganze Stadt eroberten, wo du doch so entscheidend dazu
    beigetragen hast, daß wir überhaupt hineingelangten. Ich freue mich, dir berichten zu können, daß alle neuntausend Sarmaten bis auf den letzten Mann ausgerottet wurden.«
    »Und ihr König Babai?« fragte ich.
    »Er hat sich richtig verhalten. Er wartete auf mich und kämpfte dann so mutig und feurig wie jeder seiner Krieger.
    Wenn er jünger gewesen wäre, hätte er mich vielleicht sogar besiegt. Ich zollte ihm also den angemessenen Respekt und gewährte ihm einen schnellen, sauberen Tod.« Er gab Daila, der den Lederbeutel trug, ein Zeichen. »Thorn, darf ich dir den verstorbenen König Babai vorstellen?«
    Der Optio öffnete grinsend den Beutel und hielt den
    abgeschlagenen Kopf Babais an den Haaren hoch. Blut und andere Sekrete sickerten aus seinem Hals heraus, aber sein Gesicht mit den weit offenen, glotzenden Augen und dem weit aufgerissenen Mund war zu einer wütenden Grimasse erstarrt. Es hätte der Kopf eines ganz gewöhnlichen
    sarmatischen Kriegers sein können, wäre er nicht mit
    diesem Goldreif geschmückt gewesen.
    Der hinter uns liegende Camundus, der die ganze Zeit
    über wimmernd versucht hatte, zu Wort zu kommen, war bei diesem Anblick plötzlich vor Schreck verstummt. Als wir uns nach ihm umdrehten, klappte er mehrmals den Mund auf
    und zu, bevor er ein Wort herausbrachte.
    »Babai«, sagte er mit heiserer Stimme, »Babai hat mich durch eine List dazu gebracht, ihm die Stadt zu überlassen.«
    »Diese Kreatur spricht schlecht über einen Toten, der sich nicht mehr wehren kann«, sagte Daila. »Außerdem lügt er.
    Als wir ihn fanden, hatte er eine sarmatische Leibwache um sich, die bereit war, für ihn zu töten.«
    »Natürlich lügt er«, sagte Theoderich. »Wenn es sich
    wirklich so zugetragen hätte, dann wäre er schon längst auf anständige Art gestorben. Nach dem Verlust der Stadt hätte er sich als guter Römer in sein eigenes Schwert gestürzt.
    Stattdessen muß er sich jetzt des meinigen bedienen.«
    Theoderich zog sein Schwert und schlitzte ohne viel
    Aufhebens mit einem einzigen Hieb Camundus die feine
    Toga und den Bauch auf. Der Legat gab keinen Laut von
    sich; der Schnitt war offenbar zu schnell und zu scharf gewesen, um einen sofortigen Schmerz zu verursachen.
    Camundus schnappte jedoch nach Luft und preßte seine
    Hände auf die klaffende Wunde, um seine Eingeweide
    festzuhalten.
    »Du hast ihn nicht geköpft«, sagte Daila beiläufig.
    »Ein Verräter verdient nicht denselben Tod wie ein
    ehrenhafter Feind«, sagte Theoderich. »Diese
    Bauchverletzung wird ihm ein paar Stunden lang
    unerträgliche Schmerzen bereiten, bis er schließlich an ihr stirbt. Stell eine Wache bei ihm auf! Sie soll warten, bis er tot ist, und mir erst dann seinen Kopf bringen. So sei es!«
    »Ja, Theoderich«, sagte Daila mit einem forschen Gruß.
    »Thorn, du bist sicher hungrig und durstig. Komm mit. Wir feiern auf dem Hauptplatz ein Freudenfest.«
    Allen Frauen und Mädchen der inneren Stadt war befohlen worden, die gehorteten Nahrungsmittel aus den
    Vorratskammern zu holen, sie zuzubereiten und sie dann sowohl den ausgehungerten ostgotischen Truppen wie auch den ebenso hungrigen Leuten aus den Außenbezirken der
    Stadt zu servieren. Auf dem Hauptplatz waren mehrere
    Feuer angezündet worden, auf denen gekocht wurde, und
    aus den Essen der umliegenden Häuser stieg der Rauch
    vieler Herdfeuer auf. Die Frauen liefen mit ihren hoch mit Käse und Brot beladenen Tabletts und Tellern hin und her und schleppten Humpen, Steinkrüge und Kannen herbei.
    Der Platz und die auf ihn zuführenden Seitenstraßen waren mit unseren Kriegern und den Bewohnern der unteren
    Stadtbezirke überfüllt. In der Menge erkannte ich auch Aurora mit ihrer Familie. Alle waren damit beschäftigt, sich eine Portion Essen zu ergattern, ihre vollgeladenen, edlen Teller oder Schüsseln eng an sich gepreßt an einen
    ungestörten Platz zu tragen oder gierig und ohne Besteck das Essen in sich hineinzustopfen.
    Die Menge wich respektvoll auseinander, um Theoderich
    durchzulassen, und ich hielt mich dicht bei ihm. Als wir uns mit Fleisch, Brot und Wein bedient

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