Der Greif
sechs Männer und ich
fertig waren, hatte einer von ihnen noch einen einzigen Behälter übrig und suchte besorgt das Tor nach einer Stelle ab, wo er ihn noch unterbringen könnte. Da sagte ich zu ihm:
»Behalte es und nimm es mit zurück. Wenn wir es
beobachten, dann werden wir bald wissen, wie die anderen funktionieren. An ihm können wir sehen, ob und wann sie anschwellen und platzen und ob sie so viel Wucht haben, wie wir hoffen. Auf, laßt uns nun alle zusammen
zurücklaufen und in Deckung gehen. Los!«
Wieder kamen wir unverletzt am anderen Ende des
Platzes an und Theoderich befahl seinen Männern, das
Pfeileschießen einzuteilen und sich hinter die schützende Häuserreihe zurückzuziehen. Gemeinsam mit Theoderich
überlegte ich, wie wir die Zeit, die die Trompeten von Jericho brauchen würden, um ihren Zweck zu erfüllen., sinnvoll nutzen konnten; wir kamen jedoch beide zu dem Schluß,
daß es nicht allzuviel zu tun gab. Selbst wenn wir die Sarmaten weiterhin unter Beschuß gesetzt hätten, so hätten wir sie dadurch doch nicht daran hindern können,
nachzusehen, was mit ihrem Tor geschehen war. Wir hätten nur sinnlos Pfeile und Kraft vergeudet. Außerdem würden sie von innen aus nicht erkennen können, was wir getan hatten, und sie würden das Tor ganz bestimmt nicht öffnen, um es sich von außen anzusehen.
Also rief Theoderich lediglich seine Zenturionen und
Dekurionen zusammen und erklärte ihnen, was ihre Truppen zu tun hätten, wenn das Tor tatsächlich brüchig wurde.
Zuerst würden natürlich die größten, schwersten und
stärksten Männer sofort mit unserem behelfsmäßigen, von Hand getragenen Rammbock aus der Deckung heraus auf
das Tor losstürmen. Falls man nach der Zerstörung des Tors dahinter ein weiteres entdeckte, würden die Männer mit dem Sturmbock sich zurückziehen, und alle anderen würden sich nicht von ihrem Platz entfernen. Inzwischen würden wir weitere Jerichotrompeten vorbereiten und anbringen, und sobald auch diese Wirkung zeigten, würde der Rammbock
erneut eingesetzt werden. Erst wenn dieser auch das zweite Tor niedergebrochen hatte und der Weg in die Stadt frei war, würde eine von Theoderich selbst angeführte berittene
Schwadron mit Wurfspeeren hineingaloppieren und alle
innen vor dem Tor konzentrierten sarmatischen Truppen
niedermähen. Danach würden vier Abteilungen von
Bogenschützen hineinstürmen, um die Feinde, die sich oben auf der Mauer oder vielleicht auch auf den Hausdächern postiert hatten, herunterzuschießen. Schließlich würde dann der Rest unserer sechstausend Mann - mich eingeschlossen
- zu Fuß, und nur mit Schwert und Schild bewaffnet, in die Stadt hineinmarschieren.
Theoderich gab seinen Anführern mit ausdrucksloser
Stimme die folgenden Anweisungen: »Die Männer sollen die Feinde niederschlachten und jeden töten, der sich uns in den Weg stellt, flieht oder sich zu verstecken versucht. Es sollen keine Gefangenen gemacht werden. Verwundete
können nicht versorgt werden. Es soll lediglich soweit wie möglich vermieden werden, die armen Stadtbewohner zu
töten. Ein Krieger sollte zumindest erkennen können wann er Frauen oder Kinder vor sich hat, und diese dann
verschonen. Habai ita swe!«
Wortlos schnellten die Zenturionen und Dekurionen ihre Arme zum ostgotischen Salut hoch, und Theoderich fuhr fort:
»Hört gut zu, was ich euch jetzt noch zu sagen habe, und schärft es auch jedem Mann eurer Truppe ein: Falls jemand unter den Feinden König Babai oder den Legaten
Camundus zu erkennen glaubt, dann soll er sich nicht auf einen Kampf einlassen. Diese beiden gehören mir. Falls ich sie aus irgendeinem Grund nicht finden und töten kann, so sollen sie trotzdem am Leben gelassen werden, bis die Stadt eingenommen ist. Ich werde dann anschließend für ihre
Hinrichtung sorgen. Also denkt daran: wenn ich Babai und Camundus nicht während der Schlacht töte, dann soll es auch kein anderer tun. So sei es!«
Die Anführer schnellten erneut ihren Arm zum Salut hoch und diesmal erwiderte Theoderich ihren Gruß. Dann traten die Zenturionen und Dekurionen ab, um ihre Truppen in die Straßen seitlich des Hügels zu führen, wo die sarmatischen Wachen sie nicht sehen konnten. Dort wurden die
verschiedenen Truppenteile dann in der Reihenfolge
aufgestellt, in der sie die Stadt stürmen sollten. Ich verabschiedete mich ebenfalls von Theoderich und machte mich mit meinem Haferbehälter auf den Weg zu der
Seitenstraße, in der meine
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