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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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    Körper in seiner übergroßen, von einem Pfeil durchbohrten Rüstung hinunter und sagte: »Beim Ares! Schicken die
    Goten nun schon ihre Kinder in den Krieg?« Dann erhob er mit beiden Händen sein Schwert, um mir den Todesstoß zu versetzen.
    Ich nahm meine ganze Kraft zusammen und stieß von
    unten mein Schwert zwischen seine Beine und unter die
    Röcke seiner Rüstung bis es tief in seinem Körper steckte.
    Noch nie hatte ich einen so lauten und markerschütternden Schrei gehört wie den, mit dem dieser Mann nun zur Erde stürzte. Das Blut schoß aus seinem Unterleib, und er
    rutschte und scharrte so wild auf dem Pflaster herum wie eine rasend gewordene Krabbe. Er versuchte nicht,
    aufzustehen oder auf mich loszugehen, sondern wollte nur seinem Schmerz entrinnen, der unerträglich gewesen sein muß.
    Langsam und wie zerschlagen erhob ich mich und mußte
    einen Moment lang ruhig stehen bleiben, um das Gefühl der Übelkeit zu bekämpfen und zu warten, bis mein Kopf sich nicht mehr drehte. Dann ging ich zu dem am Boden
    liegenden Mann und kniete mich auf seine Brust, damit er nicht mehr so panisch um sich schlagen konnte. Da es mir nicht gelang, seine Rüstung zu durchstoßen, drückte ich mit Gewalt seinen Kopf nach hinten und legte so seinen Hals frei. Um seiner Qual so bald wie nur möglich ein Ende zu setzen, schnitt ich so schnell ich konnte mit meinem Schwert seinen Hals durch, bis ich auf den hinteren Knochen stieß.
    Während der ganzen Schlacht um Singidunum war dies
    mein einziger Kampf von Mann zu Mann, und ich trug nicht die kleinste Narbe davon, die mich an diese Schlacht hätte erinnern können. Ich war zwar von oben bis unten mit Blut beschmiert, doch handelte es sich ausschließlich um
    sarmatisches Blut. Sowohl dieser Krieger wie auch Daila hatten geglaubt, ich wäre von dem Pfeil, der mich
    umgeworfen hatte, durchbohrt worden. Ich dagegen dankte Mars, Ares, Tiw und allen anderen Kriegsgöttern, die es sonst noch geben mochte, daß ich in dieser Schlacht nur eine »Haselnuß in der Schale einer Walnuß« gewesen war.
    Der Pfeil hatte nur meinen schlecht sitzenden Harnisch durchstoßen und war dann neben meinem Brustkorb
    vorbeigeglitten, ohne auch nur den kleinsten Kratzer zu hinterlassen.
    Nach einigen Verrenkungen gelang es mir, den hinten aus meinem Harnisch herausragenden Pfeilschaft zu erreichen und zu entfernen. Dann ging ich hinüber zu dem Legaten, der voller Angst vor meinem blutbefleckten Schwert
    zurückwich und »Armahairtei! Clementia!« plärrte.
    »Ach, slaväith!« fauchte ich ihn an, und er hielt seinen Mund, während ich den goldenen Saum seiner Toga dazu
    benutzte, mein Schwert abzuwischen. Ich packte Camundus unter den Armen und zerrte ihn vom Schlachtfeld in einen tieferliegenden Türeingang auf der anderen Seite des
    Platzes.
    In seinem Schutz verbrachten wir den Rest des Tages und konnten beobachten, wie immer wieder Gruppen von
    Kriegern über den Platz liefen - entweder von den Ostgoten gejagte Sarmaten oder von den Sarmaten gejagte Ostgoten.
    Manchmal blieben die verfolgten Krieger auch stehen und drehten sich um, um zu kämpfen. Am Nachmittag waren die Krieger, die über den Platz liefen, bereits nicht mehr damit beschäftigt, dem Feind nachzustellen, zu fliehen oder zu kämpfen, denn es handelte sich nur noch um Ostgoten.
    Nachdem sie die Stadt nun endgültig von den Sarmaten
    gesäubert hatten, mußten nur noch die nach einer solchen Schlacht notwendigen letzten Maßnahmen durchgeführt
    werden.
    Als die Sonne unterging, sah ich zwei Männer gemächlich auf den Platz zuschlendern, den ich von meinem Türeingang aus überblicken konnte. Beide trugen noch ihre inzwischen zerschundene und blutbefleckte Rüstung, hatten den Helm jedoch bereits abgesetzt. Einer von ihnen schien allerdings in einem Lederbeutel etwas bei sich zu tragen, was einem Helm ähnelte. Es waren Theoderich und Daila. Der Optio wollte seinen König zu der Stelle führen, an der er den zur Sicherheit bewegungsunfähig gemachten Legaten
    zurückgelassen hatte. Offensichtlich hatte er ihm auch die Leiche seines Freundes Thorn zeigen wollen, denn beide stießen einen Schrei der Überraschung aus, als sie sahen, daß ich noch lebte und nach wie vor pflichtbewußt
    Camundus bewachte.
    »Ich hätte wissen müssen, daß Daila sich geirrt hat!«
    sagte Theoderich erleichtert und klopfte mir auf die Schulter, statt meinen Gruß zu erwidern. »Der Thorn, der so brillant einen Clarissimus spielte, konnte

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