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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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wieder?«
    Sie schaute mich mit funkelnden Augen scharf, aber
    belustigt, an und sagte: »Urteile selbst! Vor kurzem ging die Nachricht ein, daß Theoderich Strabo seinen einzigen Sohn und Erben Rekitach, der ungefähr in deinem Alter ist, an den Hof von Konstantinopel geschickt hat; und zwar aus dem gleichen Grund, aus dem einst mein Vater meinen Bruder im Kindesalter dorthin entsandte. Auch Strabos Sohn dient dem Kaiser des Ostreiches als Unterpfand, damit sein Vater das Bündnis mit dem Reich nicht brechen kann.«
    »Es besteht also kein Zweifel daran, daß das Reich im
    Augenblick Theoderich Strabo den Vorzug gibt«, murmelte ich. »Ist dein Bruder bereits über diese Vorgänge
    unterrichtet?«
    »Wenn nicht, dann wird er bald davon erfahren. Und du
    kannst sicher sein, daß er nicht tatenlos zusehen wird.
    Sobald er aus Singidunum weg kann, wird er sofort gegen Strabo vorgehen.« Sie seufzte. »Damit tut er natürlich genau das, was das Reich wünscht und erwartet. Ein Gote
    bekämpft den anderen.«
    »Es sei denn«, sagte ich hoffnungsvoll, »unsere Mission in Konstantinopel ist erfolgreich, und wir kommen mit dem Vertrag zurück, den dein Bruder von Kaiser Leo wünscht.«
    Amalamena lächelte. Es war ein etwas melancholisches
    Lächeln, das meine offensichtliche Arglosigkeit und meinen grundlosen Optimismus gleichzeitig zu bewundern und zu bemitleiden schien. »Ich habe dir geschildert, wie die Dinge liegen, Thorn. Unter den gegebenen Umständen ist mit
    einem Erfolg unserer Mission nicht zu rechnen.«
    »Dann begeben wir uns möglicherweise sogar in Gefahr.
    Ich bin der Marschall des Königs und habe als solcher die Pflicht, meine Mission zu erfüllen. Dir dagegen möchte ich nochmals nahelegen, doch lieber hierzubleiben.«
    Einen Augenblick lang schien sie sich meinen Rat
    ernsthaft zu überlegen, dann schüttelte sie jedoch ihren hübschen Kopf und sagte: »Ne. Ich habe einmal geglaubt, daß eine Ecke ein sicherer und geschützter Ort ist, aber selbst dort kann man seinem Schicksal nicht entrinnen.«
    Ich war mir nicht sicher, ob sie bemerkte, daß ich den Sinn ihrer Worte verstand, daher schwieg ich lieber. Amalamena fuhr fort: »Ich bin eine Prinzessin der amalischen Goten und stelle mich einem Gegner oder einer Herausforderung lieber offen. Ich werde dich begleiten, Thorn, und ich hoffe, ich werde dir auf deiner Mission nicht hinderlich sein. Vergiß nicht, daß ich ja nun die Phiole mit der Milch der heiligen Jungfrau bei mir trage. Wir wollen beten, daß sie uns in dieser Sache beisteht.«
    »In dieser sowie in allen anderen, Prinzessin
    Amalamena«, sagte ich sanft. »Sei mir also auf dieser Reise willkommen.«
    7
    Kurz darauf verließen wir Novae als eine große und
    prunkvolle Kolonne. Wir Männer bildeten eine ganze
    Schwadron aus dreißig berittenen Kriegern, von denen die meisten noch Pack- oder Reservepferde an einem Leitseil mit sich führten; auch zwei elegante weiße Maultiere waren darunter. Nur ich, der Optio Daila und unsere zwei
    Bogenschützen hatten kein zusätzliches Pferd dabei, da ich den Oberbefehl hatte, Daila die Schwadron anführte und die zwei Bogenschützen mir als Leibwache zugeteilt worden
    waren. Prinzessin Amalamena hatte darauf bestanden, als Gefolge nur eine Kammerdienerin namens Swanilda
    mitzunehmen, die beinahe so alt und auch fast so schön war wie sie selbst. Einen großen Teil der Reise verbrachten die beiden jungen Frauen in einer mit Vorhängen versehenen Pferdekutsche, in der sie nachts auch schlafen konnten.
    Immer wenn Amalamena sich kräftig genug fühlte ritt sie auf einem der weißen Maultiere neben mir her, und Swanilda hielt sich auf dem anderen ein kleines Stück hinter uns. Die beiden Frauen saßen so sicher im Sattel wie die Männer und trugen beim Reiten eine Art geschlitzten Rock. Wir Krieger dagegen saßen in blankpolierter Rüstung und bewaffnet auf unseren mit Kampfschabracken umhängten Pferden, um auf mögliche Angriffe vorbereitet zu sein und Wegelagerer
    abzuschrecken.
    Immer wenn wir Appetit auf frisches Fleisch hatten, gingen meine zwei Bogenschützen auf die Jagd. Ebenso wie Daila hatten auch sie ihre Pferde inzwischen mit einem Fußseil versehen. Meine Erfindung versetzte sie in die Lage,
    mühelos aus dem Galopp heraus Wild zu schießen, und sie kamen stets mit reicher Beute zurück. Um jedoch überhaupt auf Wild zu stoßen, mußten sie sich erst weit von unserer glänzenden und rasselnden Kolonne entfernen; unsere
    neuen Begleiter konnten

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