Der Greif
edelste
Rosenparfüm herstellen. Man benötigt fast fünftausend
römische Pfund von solchen Rosenblättern, um ein einziges Viertelliterfläschchen mit ihrer flüssigen Essenz zu füllen, daher ist dieses Öl teurer als das reinste Gold oder das seltenste Gewürz.
Wie ich es dem Lekeis Frithila versprochen hatte, bemühte ich mich auf unserer ganzen Reise stets, die Prinzessin zum Lachen zu bringen und sie bei guter Laune zu halten. Ich erheiterte sie mit albernen Scherzen, die ich in Vindobona gehört hatte, sowie mit kleinen, lustigen Anekdoten über die Bewohner der verschiedenen Orte, an denen ich auf meinen Reisen vorbeigekommen war. Mein Gefasel brachte sie oft zum Lächeln, gelegentlich zum Kichern und nicht selten auch zum Lachen; jedoch nicht ich, sondern das Tal der Rosen ließ sie so lauthals auflachen wie nie zuvor.
Es war bereits Spätsommer, als wir das Tal erreichten; die Rosenernte lag also schon einige Monate zurück. Dennoch war das Tal immer noch ein Meer aus allmählich
verblühenden Rosen, deren sinnlicher Duft uns Tag und
Nacht umgab. Er war so intensiv, daß er selbst die Luft rosig zu färben schien. In der Stadt Beroea unterbrachen wir für kurze Zeit unsere Reise. Amalamena und Swanilda
verbrachten die Nacht in der einzigen Herberge der Stadt -
also in einer ›Krchma‹, denn so lautet das
zungenbrecherische, slowenische Wort für Herberge. Dort konnten sie ihre Kleider waschen und bügeln lassen sowie ihre Vorräte an diversen unverzichtbaren Kleinigkeiten ergänzen.
In der Krchma erstand die Prinzessin unter anderem zwei Schönheitsmittel, die nur in diesem Tal erhältlich waren: einen aus Rosenpollen hergestellten Gesichtspuder sowie eine aus Rosenblättern gewonnene Pomade. Ich hörte die Prinzessin freundlich zum Wirt sagen, daß sie ihn darum beneide, in einem so herrlich duftenden Tal leben zu dürfen.
Völlig überrascht grunzte der Mann: »Ein herrlicher Duft, sagt Ihr? Sladak miris?« Dann zog er ein verdrießliches Gesicht und knurrte bösartig in seiner barbarischen Sprache:
»Okh, taj prljav miris! Nosovi li neprestano blejo mno-20!«
Was soviel hieß wie: »Ach, dieser widerliche Gestank! Er verursacht uns allen hier ständige Nasenschmerzen!«
Es war die Vorstellung, daß es Leute gab, die so
abgestumpft waren, daß sie das Privileg, immer von
blühender Schönheit und herrlichem Duft umgeben zu sein, gar nicht zu würdigen wußten, die Amalamena hell und laut auflachen ließ. Jemand, der wie sie wußte, daß er all die Wunder dieser Welt nicht mehr sehr lange sehen, einatmen, bewundern und genießen können würde, spürte die
Unangemessenheit eines solchen Verhaltens sicher
besonders deutlich. Aber Frithila hatte ja bereits gesagt, daß die Prinzessin dazu neigte, in Situationen zu lachen, in denen andere vielleicht geweint hätten. Seit diesem Vorfall in der Krchma glaube ich, daß die Slowenen aufgrund ihrer platten Nasen einen sehr schlecht ausgeprägten
Geruchssinn haben und sich daher an Düften nicht erfreuen können; wahrscheinlich nahmen sie viele andere gute Dinge ebensowenig wahr und waren deshalb ein so unheilbar
mürrisches und unglückliches Volk.
All die Anekdoten und Scherze, die ich Amalamena
während dieser Reise erzählte, fand sie, wie gesagt, lange nicht so lustig wie diese Episode in Beroea. Sie schien jedoch sehr erfreut, als ich sie bat, mir doch auch ein paar Dinge zu erzählen, von denen ich noch nichts wußte. Immer, wenn wir nebeneinanderherritten, erzählte sie mir also von der königlichen Familie, von den Goten im allgemeinen oder von den Ländern, die wir durchquerten. Ihre Ausführungen waren nicht nur sehr unterhaltsam, sondern auch sehr
lehrreich. Die Vorgeschichte der Goten interessierte mich jedoch weniger als die gegenwärtige und ganz persönliche Geschichte der Prinzessin und ihrer Familie. Sie erzählte mir von den vielen königlichen Tugenden und erfolgreichen
Eroberungen ihres verstorbenen Vaters. Noch begeisterter berichtete sie jedoch über seine vielen guten Taten, die ihm unter seinem Volk den Namen Thiudamer, der Gütige,
eintrugen. »Und mein Onkel war genauso«, sagte sie, »er wurde daher überall Walamer, der Aufrichtige, genannt.«
Sie erzählte mir auch von ihrer Mutter, der Königin
Hereleuva, und ihre Stimme zitterte ein wenig, als sie mir schilderte, wie die Königin als noch junge Frau »an dieser schrecklichen Krankheit, die man Krebs nennt« starb. Dann erzählte mir Amalamena, daß sie
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