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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Ziegenherden an diesen Ufern
    haben kaum Bäume oder Unterholz übriggelassen, es kann sich also nicht um einen Waldbrand handeln. Aber woher kommt das Licht dann? Vom Zwillingsfeuer eines Sturms?
    Von fliegenden Sumpfeidechsen?«
    »Ne, Saio Thorn«, sagte einer unserer Soldaten. »Das ist der Leuchtturm von Konstantinopel. Ich war schon einmal hier und habe ihn gesehen. Der Lichtschein stammt von
    einem Holzfeuer auf der Spitze eines sehr hohen Turmes und soll vor allem Schiffe sicher in den Hafen geleiten.
    Nachts als Licht und tagsüber als Rauch.«
    Zwei Tage später tauchten vor uns am Horizont die
    Stadtmauern von Konstantinopel auf. Ich wandte mich um und sagte zu einem meiner Bogenschützen: »Die Prinzessin ist auf den ersten Anblick der Stadt sehr gespannt. Reite zu ihrem Wagen zurück und teile ihr mit, daß es soweit ist.
    Frage sie, ob ihr Maultier gesattelt werden soll.« wenig später kam der Mann zurück und berichtete mit einem
    Lächeln: »Die Prinzessin dankt dem Marschall für die
    Nachricht, doch hat sie beschlossen, die Stadt von ihrem Wagen aus zu bewundern, dessen Vorhänge sie
    zurückgezogen hat. Sie erachtet es als ungebührlich für die Tochter und Schwester eines Königs, wie eine Barbarin zu Pferd in Konstantinopel einzureiten.«
    Das klang überhaupt nicht nach der aufgeschlossenen
    Amalamena, die sich bis jetzt immer lachend über
    »weibliche« Einschränkungen und »geziemendes
    Benehmen« hinweggesetzt hatte. Offensichtlich hatte sie sich diese Ausrede einfallen lassen, um nicht zugeben zu müssen, daß sie zu schwach war, um im Sattel zu sitzen. Ich nahm mir vor, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit nach einem Arzt für sie zu suchen.
    Dann sah ich, wie die anderen Reisenden vor uns auf der Via Egnatia, Fußgänger, Reiter, Gespannführer, Fuhrleute, Viehtreiber mit ihren Herden und sogar die Sänften und eleganten Wagen von offensichtlich hochgestellten
    Persönlichkeiten, zum Straßenrand auswichen, um einer aus der Stadt kommenden Prozession Platz zu machen. Daila
    sah mich fragend an, doch ich schüttelte den Kopf. »Ne, Optio. Wir sind Ostgoten und königliche Gesandte, keine einheimischen Griechen und Bastarde. Wir reiten weiter, zumindest bis wir sehen, was auf uns zukommt.«
    Ich tat recht daran, unbeirrt weiterzureiten. Es stellte sich heraus, daß das, was da herannahte, eine kaiserliche
    Abordnung zu unserer Begrüßung war, ein Trupp vornehm
    gekleideter Reiter. Ihr Anführer, ein älterer Mann, der die prächtigsten Kleider trug, hob die Hand zum Gruß. Seine ersten Worte waren zwar herzlich, aber sie erstaunten mich.
    »Chaire, Presbeutes Akantha!« Das bedeutet auf
    Griechisch: »Seid gegrüßt, Gesandter Thorn!« Es war in der Tat merkwürdig, daß er meinen Namen wußte. Dann sagte
    er: »Basileus Zeno ethe par ammi phileseai!« was hieß:
    »Kaiser Zeno heißt Euch willkommen!«
    Wieder einmal besaß ich genügend Geistesgegenwart, um
    nicht etwas Törichtes zu antworten wie: »Wer ist Zeno? Ich kam hierher in der Erwartung, Kaiser Leo anzutreffen.«
    Trotzdem muß ich ihn einigermaßen verständnislos
    angestarrt haben. Während ich stumm auf meinem Pferd
    saß, fuhr der Mann fort: »Kaiser Zeno schickt Euch diese Geschenke als Zeichen der Freundschaft.« Er winkte zwei schwer beladenen Dienern, die hinter ihm ritten, nach vorn zu kommen. Ich wies meine beiden Bogenschützen an, die Geschenke in Empfang zu nehmen, dann riß ich mich
    zusammen und sagte: »Theoderich, der König der Ostgoten, grüßt seinen Vetter Zeno. Auch wir überbringen Geschenke der Freundschaft.«
    »Soviel ich weiß, habt Ihr auch des Königs Schwester bei Euch«, sagte der Mann und wies mit einer Kopfbewegung
    auf den Wagen hinter mir. »Ich bin Myros, des Kaisers
    Oikonomos, sein Verwalter Darf ich Euch begleiten? Für Euch, Prinzessin Amalamena und Eure Dienerschaft ist ein Haus vorbereitet, für Eure Krieger angemessene Quartiere.«
    Ich gab dem Verwalter durch eine Handbewegung zu
    verstehen, er solle neben mir reiten, die übrigen Reiter mischten sich unter meine Männer, und so näherten wir uns langsam der Stadt.
    Als wir so dahinritten, sagte ich zu meinem neuen
    Gefährten unter dem Vorwand müßiger Konversation, in
    Wirklichkeit aber auf der Suche nach Informationen: »Zwar lebe ich noch nicht sehr lange, Oikonomos Myros, doch
    wollte ich alle Kaiser im Osten und Westen aufzählen, die ich in dieser Zeit habe kommen und gehen sehen, ich müßte sie an den Fingern

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